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0013 - Die Knochengrube

0013 - Die Knochengrube

Titel: 0013 - Die Knochengrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Friedrichs
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gegessen haben. Suchen wir ein gutes Restaurant auf. Ich weiß, daß Sie daran jetzt am allerwenigsten gedacht haben. Aber Sie müssen bei Kräften bleiben, Micaela – um Ihrer Widerstandskraft willen.«
    ***
    Nachdem die Sonne als Glutball hinter dem Horizont verschwunden war, kroch die Dunkelheit wie ein großes schwarzes Tier über den Himmel. Die See war ruhig und vermittelte eine beschauliche Stimmung, die allerdings auf die Gestalt an der Brückenreling der »Estrella Negra« keinen Einfluß ausübte.
    Raspanis Miene war finster. Steif stand er da, die schwarze Fetzenkleidung mit einem energischen Handgriff am Kragen umschlossen.
    Seine Augen glitten rastlos hin und her. Den Mund hatte er verzerrt, und das gab seinem ohnehin schon widerwärtigen, an eine Mumie erinnernden Gesicht einen noch abscheulicheren Anblick.
    »Zamorra«, kam es haßerfüllt über seine Lippen.
    Er wandte sich um. Einer der Geistermatrosen stand im Ruderhaus. Sein Grinsen schürte Raspanis Zorn noch mehr. Der Kapitän des gigantischen Schiffes trat ans Steuerrad, holte mit der Faust aus und hieb sie gegen den Knochenschädel des Schrecklichen. Mit einem Aufschrei stürzte sein Untertan zu Boden. Das Krachen der Knochen wurde von dem Jammern des Burschen übertönt.
    »Ich verlange, daß du dich mit Ernst deiner Aufgabe widmest, Hundesohn«, brüllte Raspani. »Wie weit sind wir noch von der Küste entfernt?«
    »In zwei Stunden sind wir am Ziel!«
    »Das dauert mir zu lange. Nimm mehr Fahrt auf.«
    »Ja, Herr.«
    Der Geist stand stöhnend auf. Seine Stimme zitterte, als er sich über das Sprachrohr mit dem Maschinenraum in Verbindung setzte.
    Nur Sekunden verstrichen, dann entlockten die Schauergestalten den längst toten Maschinen des Luxusdampfers jene undefinierbare Antriebskraft, die es aus den Fluten hob und über den Wasserspiegel hinwegfliegen ließ.
    Raspani kehrte auf die Brücke zurück.
    Seine wie Fischrogen aussehenden Kopfhaare stellten sich im Fahrtwind auf. Er nickte, stieß einen befriedigten Laut aus und machte sich an den Abstieg.
    Sein Weg führte über das Sonnendeck auf das Promenadendeck hinunter. Raspani marschierte mit eckigen Bewegungen in den Musiksalon. Er stellte den Blasebalg für die Orgel an, hockte sich auf den Schemel und zog den größten Teil der Register.
    Er begann sein Spiel mit einer Serie schlecht zusammenpassender Akkorde. Wenig später verlegte er sich auf eine ruhige Begleitung, ließ aber die rechte Krallenhand wie einen Derwisch über die schwarzen Tasten des unteren Manuals tanzen. Die Improvisation glitt auf irrsinnigen Bahnen dahin, die vom Höllenfürsten höchstpersönlich vorgeschrieben worden zu sein schienen.
    Raspani blickte in den magischen Spiegel.
    Wieder erschienen zunächst verschwommene, dann klare Umrisse. Der Geisterkapitän erblickte eine hübsche brünette Frau, deren Züge von Trauer gezeichnet waren. Raspani lachte wild auf.
    »Rosa Saldana!« schrie er.
    Rosa trug schwarze Kleidung. Selbst die gut geformten Beine, die schräg vor dem Polster des Flugzeugsitzes plaziert standen, waren von dunklen Nylonstrümpfen bedeckt. Die Frau hob die Hände und nahm eine Tasse Tee oder Kaffee entgegen, höchstwahrscheinlich von der Stewardeß, genau konnte Raspani es nicht sehen.
    Das Bild wechselte.
    Raspani stieß eine Reihe lästerlicher Flüche aus. Seine Füße verharrten plötzlich, und auch seine Finger verweilten auf den Tasten, ließen einen schrillen Orgelakkord ausklingen.
    »Zur Hölle mit euch allen!« brüllte Raspani.
    Er schaute auf einen runden Tisch, weiß gedeckt, mit Kerzen. Drei Menschen saßen beim Abendessen zusammen. Micaela Saldana unterhielt sich angeregt mit Professor Zamorra. Nicole Duval winkte jemandem zu, vielleicht dem Ober des Restaurants.
    Raspani konnte jede ihrer Gesten überwachen, war jederzeit informiert darüber, wohin sie sich wandten und was sie unternahmen.
    Nur konnte er ihre Worte nicht verstehen – für ihn waren seine Todfeinde stumm, sobald sie auf dem magischen Spiegel erschienen.
    Und gerade das versetzte ihn in Wut. Denn er ahnte, daß es nötig war, die Verhaltensweise des schlanken dunkelhaarigen Mannes mit den markanten Zügen im voraus zu berechnen. Raspani fühlte sich von dem dumpfen Gefühl beschlichen, in dem Professor einen ebenbürtigen Gegner gefunden zu haben.
    Er führte die Wahnsinnsmelodie fort. Doch das Bild blieb bestehen.
    »Ich will, daß ihr auf das Meer hinausfahrt«, rief er, »dann habe ich euch. Worauf wartet

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