0013 - Die Knochengrube
übertragen, der ich mich nicht entziehen will und darf. Jetzt verstehen Sie, warum ich mich derart in dem Fall des Geisterschiffes engagiert habe. Es hängt davon ab, wie groß Raspanis magische Macht ist und wie geschickt wir vorgehen, um den Sieg erringen zu können.«
Micaela ließ ihren Kopf so heftig herumzucken, daß die langen schwarzen Haare wirbelten. »Wir vertrauen Ihnen, Professor. Sonst wären wir nicht mit Ihnen gefahren.«
»Ich danke Ihnen«, erwiderte er. »Das Amulett hat bisher sämtliche Bewährungsproben überstanden, und ich habe allen Grund, auf seine Kraft zu bauen. Nur räume ich stets die zu zehn Prozent bestehende Möglichkeit ein, daß es eines Tages auch einmal scheitern könnte. Bedenken Sie, daß Raspani 15 Geistermatrosen an seiner Seite hat. Und nicht jedes Gespensterwesen reagiert in der gleichen Weise auf den Talisman. Erschrecken sie sich sofort, haben wir gewonnen, wenn nicht…«
»Ich habe keine Angst«, sagte Micaela.
»Ich auch nicht«, bekundete ihre Schwester. »Professor, Sie glauben also fest daran, daß Micaela und ich Lockvogel genug für Raspani sind, daß er in dieser Nacht zuschlagen will?«
»Ganz gewiß.«
»Hoffen wir’s. Ich möchte diesem Ungeheuer endlich von Gesicht zu Gesicht gegenüberstehen.« Rosa Saldana preßte die Lippen zu einem Strich zusammen und ballte die Hände.
Gegen Mitternacht gelangten sie in Arcachon an. In der Schiffsvermietung hielt ein junger Mann Nachtwache. Es war nicht der gleiche, bei dem Zamorra die Anzahlung hinterlassen hatte, aber er brauchte ihm nur seinen Personalausweis vorzulegen. Der junge Mann hatte eine Eintragung, in der Zamorras Name ausdrücklich vermerkt war. Daher war es für den Professor und die Schwestern nicht mit Problemen verbunden, sofort an Bord der großen Motorjacht »Quimper« gehen zu können.
Zamorra warf die Maschinen an. Er lauschte ihrem Tucktuck und spürte im Cockpit den wohlbekannten Sog, mit dem sich das ablegende Schiff gegen das einzige Tau wehrte, das es noch am Kai festhielt. Der junge Mann von der Vermietung machte es los und warf es über die Reling hinweg auf das Achterdeck.
Rosa und Micaela Saldana zogen sich in die Kajüte zurück. Die Oktobernächte an der südfranzösischen Atlantikküste waren ziemlich rauh. Die Frauen waren froh, daß sie in den Wandschränken Pullover und Windjacken aufstöberten, die sie sich überziehen konnten, wenn sie an Deck gehen mußten.
Zamorra bugsierte die Jacht aus dem Hafenbecken. Anschließend stellte er die automatische Steuerung ein. Die »Quimper« glitt mit steiler Bugwelle in Richtung West-Südwest voran. Der Professor kontrollierte die Positionslichter. Dann stieg er ebenfalls in die Kajüte hinab und schaltete die Funkanlage ein.
Er gab der Station der Küstenwacht ihre Position durch. Dies war eine reine Vorsichtsmaßnahme, die Zamorra innerhalb der nächsten beiden Stunden vier- oder fünfmal wiederholte. Er wurde das unbestimmte Gefühl nicht los, daß ihm die kurzen Funksprüche irgendwann von Nutzen sein würden. Er wußte zwar nicht, in welcher Weise, denn die Küstenwacht oder die Polizei würden ihm bei der nahenden Auseinandersetzung mit den Geistern bestimmt nicht helfen. Aber er hatte eine Art sechsten Sinn für Dinge wie diese entwickelt.
»Wir werden sehen«, lächelte er, als er erneut vom Cockpit in die Kajüte herunterkam. »Wir befinden uns bereits mitten in der Biskaya. Bis jetzt ist uns kein Schiff begegnet. Ich schätze aber, daß es nicht mehr lange dauern wird. Macht Ihnen der Seegang etwas aus?«
»Nein«, antwortete Rosa.
»Ich habe ein etwas flaues Gefühl im Magen«, sagte Micaela. »Ist das jetzt ein Orkan?«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Nur einer der normalen Herbststürme. Wir haben etwa Windstärke 6. Ich schlage ihnen vor, mit ins Cockpit zu kommen. Dort oben spürt man das Schlingern nicht so stark.«
Micaela Saldana nickte tapfer. Eine halbe Minute später stand sie neben dem Professor am Ruder und blickte durch die Windschutzscheibe auf die brausende See hinaus. Etwas später kam auch Rosa zu ihnen. Die beiden Frauen mußten sich an der Reling festhalten, um nicht durch das Schwanken der »Quimper« aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden.
»Wie spät ist es?« erkundigte sich Micaela. Sie mußte schreien, um sich gegen das stärker werdende Heulen des Windes verständlich machen zu können.
»Zwei Uhr«, rief Zamorra.
»Glauben Sie noch, daß wir Erfolg haben werden?«
»Nach wie vor ist
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