0013 - Die Knochengrube
Talismans den gesamten Bereich des Cockpits bestrich. Es war, als habe eine imaginäre Faust die Gespenster auf der Stelle festgenagelt. Sie vermochten nicht mehr, sich vorwärts zu bewegen oder ihre entsetzlichen Waffen gegen die Gegner zu erheben.
»Nieder mit euch!« rief Zamorra.
Er sprang auf den am nächsten stehenden Geist zu. Er packte ihn, preßte ihm das Amulett gegen die Knochenstirn und stieß eine Beschwörungsformel aus. Plötzlich geschah etwas Seltsames mit der Schauergestalt: Blut floß aus den Augen. Das Monstrum riß die Kieferknochen zu einem lautlosen Schrei auseinander. Gleich darauf löste sich die Substanz seiner Gliedmaßen unter Zamorras Griff auf, zerbröckelte, verwandelte sich in Pulver oder Staub und rieselte auf die Planken nieder.
Die übrigen vierzehn kreischten auf. Sie wollten sich fluchtartig zurückziehen.
Der Professor bekam dank gedankenschnellen Eingreifens noch einen zu fassen. Er zwang ihn in die Knie und drückte ihm das Amulett gegen den Nacken.
»Ja!« schrie Micaela. »Geben Sie’s ihnen, Professor, bravo!«
»Still doch!« Rosa Saldana hielt sie zurück.
Die Orgelmusik veränderte sich. Eine Serie von grellen Mißakkorden malträtierte ihre Ohren. Dann hörte die Gruselmusik völlig auf – eine Gestalt schwebte über die Reling der »Estrella Negra« hinweg und zuckte auf die fliehenden Geister herab.
Raspani!
Er wollte seine Untertanen aufhalten.
»Zurück mir dir, woher du gekommen bist!« begleiteten Zamorras Worte die Wirkung des silbernen Amuletts. Schon zeigte sich von neuem, welche Macht in dem Talisman steckte. Die zweite Knochengestalt zerrieb unter seinen Fingern, nachdem das Blut aus den Augenkammern gequollen war. Zurück blieben nur ein Haufen weißer Späne und eine übel riechende Dunstwolke.
Raspani hatte seine restlichen Geister zurückkommandieren können. Jetzt huschten sie wieder auf die Motorjacht zu. Unter dem Druck der Satansmacht und unter dem wütenden Gebrüll Raspanis zückten sie ihre Säbel.
»Der Himmel steh uns bei!« rief Rosa Saldana.
Zamorra streckte die Hand mit dem Amulett aus. Er wußte, daß er die Feuerprobe vor sich hatte. Nur, wenn er alle Konzentration und Härte aufbrachte, die ihm gegeben war, konnte er das magische Vermögen des Schwarzgekleideten zerbrechen. »Wagt euch nicht näher heran«, schrie er und behielt das Gespensterrudel über den Rand des Amuletts hinweg wie durch ein Visier im Auge.
Sie schwärmten aus.
»Schlagt sie tot!« fauchte Raspani. »Spießt sie auf, hackt ihnen die Köpfe ab. Ich will dieses Gewürm nicht mehr sehen!«
Die Knochengestalten stießen ein nervenzerfetzendes Geheul an.
Doch Zamorra ließ sich davon nicht beeindrucken. Noch einmal veranstaltete er die Drehung um die Körperachse. Er verfolgte beruhigt, wie der Flug der Geister langsamer wurde, wie sie schließlich auf den Planken vor ihm und den Frauen standen und einfach nicht weiter konnten.
Zamorra ging auf ein Gespenst zu.
»Macht ihn doch fertig!« geiferte Raspani.
Die dreizehn Schauermatrosen fühlten sich zwischen seinen Befehlen und der vernichtenden Kraft des Amuletts gemartert. Sie hatten höllische Angst vor Raspanis Wut – aber der Einfluß von Zamorras Talisman war größer.
Der Kapitän des Geisterschiffes brachte seinen Körper bis dicht hinter die Gespenster. Seine Füße berührten den Boden des Cockpits. Immer noch gab er sich alle Mühe, den Bann des silbernen Anhängers zu brechen.
»Also gut, ich stecke zurück«, redete er auf sie ein. »Nehmt ihn aber wenigstens gefangen. Ihn und die Weiber, habt ihr gehört? Ja, es ist sogar besser, wenn wir sie einige Zeit leiden lassen. Sie sind die letzten, die vor der Erfüllung meines Racheschwurs stehen. Warum sollten wir uns nicht ein bißchen Spaß mit ihnen erlauben?«
Er lachte meckernd. »Ziert euch nicht so, meine Guten. Ich werde euch fürstlich belohnen. Nur laßt mich nicht im Stich, hört ihr?«
»Vade retro, Satanas!« sprach Zamorra die lateinische Beschwörungsformel aus. Er hob das Amulett, so daß es auf den Herrn der Geistermatrosen wies.
»Verflucht sollst du sein«, röhrte der Untote.
Da sprang Micaela Saldana auf. Rosa konnte sie nicht zurückhalten. Die jüngere der beiden Frauen stürzte auf Raspani zu und überschüttete ihn mit Schimpfworten. »Gib es auf, Unhold, du hast genug Blut fließen sehen!« schrie sie. Sie war außer sich vor Zorn und Haß. »Ich kratze dir die Augen aus, wenn du dem Amulett nicht
Weitere Kostenlose Bücher