0015 - Die Spur durch Zeit und Raum
keinerlei Ähnlichkeit mit dem späteren Roten Palast besaß. Männer in Rüstungen standen an den Schießscharten und feuerten mit ungefügen Gewehren auf ebenfalls gepanzerte Angreifer, die mit Leitern versuchten, die Burg zu stürmen. Im Burghof selbst kämpfte man bereits Mann gegen Mann. Der Angreifer mußte eingedrungen und gerade dabei sein, die Burg zu erobern.
Ras blieb nicht viel Zeit, wollte er nicht auf dem Erdboden zerschellen. Er entmaterialisierte und landete in der gleichen Sekunde wohlbehalten ein Stück abseits der Burg auf freiem Feld. Es war ein Hügel, und von hier aus hatte er einen guten Überblick, ohne Gefahr zu laufen, von einem der Barbaren überrascht zu werden.
Die Burg war nun fast zwei Kilometer entfernt. Sie wurde, das sah Ras auf den ersten Blick, von einer gewaltigen Kriegsmacht belagert. Schräg unter ihm in einer Senke kampierte der Troß der Angreifer. Lagerfeuer brannten, und große Tiere wurden am Spieß gebraten. Rohe Zelte standen am Ufer eines Baches, durch Büsche gegen Feindsicht gedeckt. Soldaten in Rüstungen patrouillierten hin und her.
Ras hörte hinter sich Geräusche. Schnell drehte er sich um. Der leicht wellige Abhang war mit vereinzelten Büschen bewachsen, die einem anschleichenden Gegner eine ausgezeichnete Deckung geboten hätten. Darauf hatte er nicht geachtet.
Es waren vier Männer, die sich bemühten, so lautlos wie möglich den Gipfel zu erreichen. Sie trugen keine Rüstungen und unterschieden sich in ihrer Kleidung daher schon von den Angehörigen der beiden kämpfenden Parteien.
Aha, dachte Ras belustigt. Damals gab es also auch schon die Neutralen, die immer dem Sieger halfen.
Die vier Männer trugen Lederjacken und enge Hosen aus dem gleichen Material. Ihre Köpfe waren unbedeckt, aber das lange, dunkle Haar bot genügend Schutz gegen die Sonne oder Kälte. Bewaffnet waren sie mit langen Speeren und kurzen, breiten Schwertern. Die flachen Schilde wurden mit Hilfe eines Gürtels auf dem Rücken befestigt.
Ras sah ihnen ruhig entgegen. Er hielt den Strahler in der Hand. Er war fest entschlossen, nur im äußersten Notfall zu verschwinden. Ohne Ergebnisse wollte er nicht zu Rhodan in den Burgkeller zurückkehren. Vielleicht genügten die paar Brocken Neuferronisch zur Verständigung.
Die vier Männer gingen nun aufrecht, denn sie mußten bemerkt haben, daß ihr Versteckspiel erfolglos geblieben war. Mißtrauisch hielten sie die Speere wurfbereit, aber sie ließen vorerst die Hände von den Schwertern. In ihren Augen war Erstaunen über den so fremdartig bekleideten Unbekannten, der ihnen so furchtlos entgegenblickte.
Als sie bis auf zehn Meter herangekommen waren, hob Ras beide Hände.
"Halt!" sagte er laut genug, daß sie es hören konnten. "Ich will mit euch sprechen." Die vier Ferronen blieben tatsächlich stehen. Sie mußten ihn verstanden haben. Unschlüssig hielten sie die Wurfspeere. In ihren Augen stand eine deutliche Frage. Sie wußten nicht, was sie mit dem Fremden anfangen sollten. Er gehörte weder zu den Verteidigern der Burg noch zu den Angreifern. Wer also war er?
"Wer bist du?" fragte der Bärtigste von ihnen.
Ras wunderte sich, daß er ihn so deutlich verstand. Der Dialekt unterschied sich nur wenig von dem, wie er von dem Thort gesprochen wurde, erinnerte allerdings ein bißchen an die Sprache, die von den Sichas, den halbwilden Bergvölkern Ferrols, benutzt wurde. Stand er vor den Ahnen der Sichas?
"Sicha?" fragte er kurz entschlossen.
Der Bärtige nickte verblüfft. Er ließ seinen Speer sinken, bis er den Erdboden mit seiner Spitze berührte. In seine Augen trat ein freudiges Leuchten.
"Du Freund?" fragte er. Ras nickte lebhaft. Natürlich, warum sollte er nicht der Freund der Sichas sein? Er schob seinen Strahler in den Gürtel zurück und ging den vier Männern mit ausgestreckten Händen entgegen. Er vergaß nicht, sich dabei auf einen augenblicklichen Sprung vorzubereiten, falls die Sichas sich doch noch anders besinnen sollten.
Zögernd nahm der Bärtige die Hand und gab den Druck zurück. Auch die anderen drei Männer nutzten die Gelegenheit, ihre Freundschaft zu bekunden, allerdings konnten sie nicht verbergen, mit welchem Interesse sie die klobige Waffe im Gürtel des Fremden betrachteten. Ras nahm ihnen das nicht übel.
"Wir wohnen drüben in den Bergen", sagte der Anführer und zeigte auf eine fern am Horizont liegende Gebirgskette, die im Dunst verschwamm. Die untergehende Sonne näherte sich bereits den
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