0015 - Die Spur durch Zeit und Raum
Ihre Glieder verkrampften sich, und sie sackten kraftlos in sich zusammen.
Tot waren sie nicht, aber Ras war davon überzeugt, daß sie mindestens für eine halbe Stunde bewußtlos sein würden. Nur der erste, der die schwache Ladung erwischt hatte, raffte sich schnell entschlossen auf und rannte den Berg hinab, dabei unartikulierte Rufe ausstoßend. Ras legte dem bärtigen Sicha, der einen Speer aufgehoben hatte und ihn dem Fliehenden nachsehendem wollte, begütigend die Hand auf den Arm
"Er soll entkommen, mein Freund. Laß ihn laufen."
"Warum? Er holt die anderen."
"Ich glaube nicht. Er wird seinen Kameraden erzählen, was er erlebt hat - und dann wird es niemand mehr wagen, diesen Hügel zu betreten. Hier ist es sicherer, als drüben in der bald eroberten Burg."
Das sahen die Sichas ein.
"Es wird Zeit", meinte der Bärtige, "daß wir von hier verschwinden, sonst gelingt es uns später nicht mehr, in die Berge zurückzukehren. Bald wird das Auge des Gottes unter die Erde sinken, und es wird dunkel."
"Das Auge des Gottes?" fragte Ras erstaunt, um im gleichen Augenblick zu wissen, daß die Sonne gemeint war. "Ja, natürlich, bald kommt die Nacht. Beschreibt mir, wo ihr wohnt, damit ich euch besuchen kann."
"Du kommst nicht mit?" In der Stimme des Bärtigen lag Enttäuschung.
"Nein, denn meine Freunde warten auf mich. Ich werde zu ihnen zurückkehren. Aber ich verspreche dir, euch einst in den Bergen zu besuchen. Beschreibe mir den Weg."
Der Anführer sah hinüber zum Horizont und zeigte dann mit dem ausgestreckten Arm auf einen besonders hohen Gipfel.
"Dort, hinter dem Dreiecksberg, lebt unser Stamm. Ein Hochplateau. Daneben ein breites Tal mit einem Strom. Du kannst es nicht verfehlen."
Nein, dachte Ras, das kann ich nicht. Der Sicha hatte genau die Stelle beschrieben, an der sich später Sic-Horum, ihre Hauptstadt, erheben würde.
"Ich werde es finden. Kommt wohlbehalten nach Hause."
Der Sicha lächelte breit. "Wir kennen die Schleichwege besser als die Soldaten, die aus einem anderen Lande kommen. Lebt wohl, Fremder. Und - danke."
Ras drückte die Hände der drei wackeren Krieger und schob den Strahler in den Gürtel. Er wußte, daß den Wilden noch eine Überraschung bevorstand, aber er bedauerte es gleichzeitig, ihre verblüfften Gesichter nicht sehen zu können, wenn er sich so plötzlich vor ihren Augen in Luft auflöste. Er winkte ihnen zu, konzentrierte sich auf den Keller unter der Burg und sprang. Als er die Augen öffnete, sah er in Bullys erschrockenes Gesicht.
*
Der Unterthort von Burg und Land Thorta erkannte, daß sein Widerstand vergeblich war. Die Barbaren waren in die Festung eingedrungen und drohten, den Rest seiner noch lebenden Krieger zu überwältigen. Er rief den Hauptmann der Soldaten zu sich.
"Regor, sammle deine Leute. Wir ziehen uns in die Gewölbe unter der Burg zurück. Dort werden wir uns einige Tage halten können."
"Es sind bereits Feinde in die Keller eingedrungen, Lesur", antwortete der Soldat. "Wir haben sie töten können. Vielleicht bietet uns die geheime Kammer Schutz."
Der Unterthort machte eine abwehrende Bewegung.
"Die geheime Kammer ist ein Heiligtum, und kein Sterblicher darf je ihr Inneres schauen, ohne sofort sterben zu müssen. Die anderen Keller genügen. Ich habe dort unten Lebensmittel speichern lassen. Auch die Frauen befanden sich dort. Befiehl deinen Soldaten, sich sofort zurückzuziehen. Hier oben sind wir verloren."
Regor salutierte und eilte zu seinen Leuten. Lesur aber, einer der vielen Thorts von Ferrol, stürmte bereits zu der breiten und roh behauenen Steintreppe, die nach unten führte. Im Burghof kämpften seine Truppen mit dem eingedrungenen Feind. Nein, der Krieg war verloren, die Barbaren siegten. Das war das Ende der Zivilisation. Von nun an würden Barbarei und Sklaverei herrschen.
Die Tür zu den Kellergewölben war zerschlagen. Hier mußten heftige Kämpfe stattgefunden haben, denn das Holz war von mächtigen Schwertschlägen und Keulen zertrümmert worden.
Lesur zögerte einen Augenblick. Der Kampfeslärm oben auf den Burgzinnen wurde stärker. Wahrscheinlich war es den Barbaren gelungen, die Mauer zu ersteigen. Regor würde es schwerfallen, sich und seine Soldaten noch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Ihm blieb nun nicht mehr viel Zeit. Schnell eilte er die Stufen hinab, lief durch lange Gänge und passierte erste Wachposten. Bis hierher war der Feind noch nicht vorgedrungen. Und es würde ihm vorerst auch
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