0016 - Das Mädchen von Atlantis
Er wollte keiner Polizeistreife auffallen. Dann war alles verloren.
Hin und wieder warf er Sandra einen Blick zu. Die Untote zuckte mit keinem Muskel.
Es herrschte nicht sehr viel Verkehr. Die Scheinwerfer der entgegenkommenden Wagen verschwammen in der Regenbrühe. Weiter, nur weiter.
Azarin erreichte den Ortsteil Mayfair. Er wurde von der Bond Street durchschnitten. Der Mann hatte es nicht mehr weit. Er befand sich dicht vor dem Ziel.
Schon tauchte die Einmündung zur Bond Street auf. Azarin tippte auf die Bremse, der Wagen wurde langsamer. Dann bog er nach rechts ein in die Bond Street.
Wagen parkten dicht an dicht. Der Regen hatte nachgelassen. Die bunten Reklamen spiegelten sich auf dem nassen Asphalt wider. Azarin konnte direkt vor dem Haus parken. Er ließ den Wagen ausrollen, kletterte nach draußen und bedeutete der Untoten, sitzen zu bleiben.
»Wir fahren gleich weiter«, sagte er. Hastig schloß er die Haustür auf. Azarin ging sofort in den Keller. Dort wurde er bereits ungeduldig erwartet. Marga stand vor der verschlossenen Tür und blitzte ihn wütend an.
»Wo bleibst du so lange, zum Henker?« Sie paffte an einer filterlosen Zigarette.
Azarin blieb schwer atmend stehen.
»Ich habe jetzt keine Zeit für lange Erklärungen. Wir müssen weg.«
»Was?« Der Frau fiel beinahe die Zigarette aus dem Mund.
»Wann denn?«
»Jetzt sofort.« Azarin schloß die Tür auf.
»Aber warum? Es ist doch alles glattgegangen.«
Bevor Azarin das Verlies betrat, drehte er sich noch einmal um.
»Gar nichts ist glattgegangen. Du hast die anderen unterschätzt. Und vor allem diesen Sinclair.«
»Ich verstehe nicht. Ich…«
»Brauchst du auch nicht, verdammt!«
Azarin betrat den Kellerraum. Franca Corelli und Karin von Rodeneck lagen in ihren Särgen. Sie richteten sich sofort auf, als Azarin den Raum betrat.
Jane Collins lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Das lange blonde Haar fiel wie ein Vlies auf die kalten Kellersteine.
Die Detektivin schlief. Erschöpfung und Angst hatten ihr hart zugesetzt.
Als Azarin in den Raum polterte, wurde sie wach. Verstört setzte sie sich auf. Im ersten Augenblick wußte sie nicht, wo sie sich befand, doch rasch kehrte die Erinnerung zurück.
»Wir müssen weg. Auf der Stelle!« herrschte Azarin die beiden Untoten an. Er deutete auf Jane. »Und sie nehmen wir mit.« Als sich die beiden Untoten nicht rührten, schrie er: »Los, worauf wartet ihr noch? Packt sie endlich!«
Karin und Franca gehorchten. Ehe Jane sich versah, umkrallten eiskalte Totenhände ihre Oberarme.
Die Detektivin versuchte, sich aus dem Griff zu befreien, doch die Finger hielten sie eisern fest.
Azarin wurde es zu bunt. Er schlug Jane Collins ins Gesicht.
Ihre Unterlippe platzte dabei auf. Ein dünner Blutfaden sickerte über ihr Kinn.
»Weg mit ihr!« Weit riß Azarin die Tür auf. »Und wartet im Flur auf mich.«
»Was geschieht mit mir?« kreischte Marga. Azarin verzog das Gesicht. »Darüber wollte ich ja gerade reden. Du hältst hier die Stellung!«
Ihr Lächeln war unecht. »Nie. Du machst dich aus dem Staub, und mich läßt du hier allein. Das kommt gar nicht in Frage!«
Azarin lachte häßlich. Er rieb den Daumen und Zeigefinger der linken Hand gegeneinander. »So kann ich dich zerquetschen. Wie eine Laus. Du weißt, wem du Gehorsam geschworen hast. Außerdem ist deine Aufgabe ebenso wichtig wie die meine.«
»Das mußt du mir erklären.«
»Natürlich.« Azarin warf einen Blick den Gang entlang und sah die Frauen um die Ecke verschwinden. Er war zufrieden. »Hör zu, Marga. Ich habe nicht alle Mädchen zusammen. Eins fehlt noch!«
Die Augen der Frau wurden groß. »Wer?«
»Colette. Ich weiß nicht, wann sie eintrifft. Aber ich kann mich nicht mehr um sie kümmern. Sie wird in dieses Haus kommen, und hier erwartest du sie. Okay?«
Marga spie die Zigarette aus und spreizte die Arme. »Aber was soll ich mit ihr machen?«
»Killen!«
Marga krallte ihre rechte Hand um die Kehle. »Aber unser Plan! Er läßt sich doch nicht mehr durchfuhren. Wir brauchen doch vier Mädchen.«
»Mit dieser Collins sind wir vollzählig.«
»In ihr fließt aber nicht das Blut der Atlanter.«
»Es muß auch so gehen. Ich werde die Beschwörung ohne das vierte Mädchen durchführen.«
»Dazu müßtest du sie vorher töten. Denk an die alten Riten.«
»Ich weiß.« Er lächelte grausam.
»Und wie soll ich Colette umbringen?« fragte Marga. »Sie ist stärker als ich. Sie wird mir überlegen
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