0017 - Ich gab ihm eine Chance
Erfahrung bei Kriminalisten, die heißt: Gefühle haben bei der Klärung von Kriminalfällen nichts zu suchen. Der eiskalte, glasklar berechnende Verstand hat allein zu entscheiden.
Ich war bei der Klärung dieses Falles zunächst nicht so objektiv, wie ich es sonst sein muß, das will ich nicht verbergen.
Alles in mir war erfüllt von dem Wunsch, der Täter möchte doch von außen her in Öas Grundstück eingedrungen sein, also ein Fremder gewesen sein. Die Entfernung der Garagenrückwand zur Veranda paßte vorzüglich zu dieser Hoffnung. Was lag also näher, als daß ich beschloß, mir die Garagen einmal genauer anzusehen?
Ich schnellte mich vom Boden ab und erreichte mühelos mit den Händen das Dach. Mit einem Klimmzug brachte ich mich so weit hoch, daß mein Kinn über das Dach ragte. Dann schwang ich mich zweimal hin und her, bis ich genügend Schwung hatte, um mein linkes Bein auf das Wellblechdach zu bringen. Der Rest war Spielerei!
Ich kroch auf allen vieren vorsichtig über das ansteigende Dach zur Vorderseite der Garagen. Die bunten Neonröhren, die überall angebracht waren, warfen ein märchenhaftes Licht über den großen Hof, in den ich blickte. Mein Gesicht sah genau nach Osten, so daß links von mir die Straße lag, durch die ich mit Phil am Abend gekommen war. Alle anderen drei Seiten waren von langen Bauten eingerahmt, die Garagen enthielten. Der Hof maß etwa zwanzig mal dreißig Meter und stand voller Autos. Ich wollte gerade in den Hof hinabspringen, als links aus dem Bau, in dem der Tankwart vorn zur Straße hin sein Glasoffice hatte, zwei Männer herauskamen. Sie gingen an der Vorderseite des Garagenbaues entlang, auf dem ich lag. Ich schob mich schnell ein Stück zurück, so daß mein Kopf nicht mehr über die vordere Dachkante hinausragte, und lauschte neugierig.
Als ihre Schritte näher gekommen waren, konnte ich etwas von ihrem Gespräch verstehen: »… soll ganz einfach gewesen sein.«
»Hat er die Schlüssel zu der Karre?«
»Ja, sie steckten.«
»Was ist es für ein Schinken?«
»Ein zweifarbiger Ford, neuestes Modell, Zylinder…«
Sie waren an mir vorbei und außer Hörweite. Ich wußte auf der Stelle, woran ich war.
Ich schob langsam meinen Kopf wieder über die Kante, um etwas zu sehen. Die beiden Männer waren jetzt an dem hinteren Garagenbau angekommen. Sie hantierten genau in der Mitte an einer Tür. Ich wollte sehen, was sie taten, und schlich leise über das Dach. Es war nicht gerade ein Spaziergang, das können Sie mir glauben. Gehen Sie mal mitten in der Nacht über ein regennasses Wellblechdach, wenn Sie nicht dabei gehört werden wollen!
Ich kam jedenfalls bis an das rechte Ende des flachen Baus, dort setzte im rechten Winkel der mittlere Bau an, der hinüberlief bis zur anderen Seite des Hofes, wo ein dritter Streifen wieder nach vorn zur Straße ging. Ich sah nach rechts hinunter. Eine düstere Gasse führte an dieser Seite der Großtankstelle vorbei. Von fern sah ich ein Auto mit abgeblendeten Scheinwerfern langsam näher kommen.
Plötzlich öffnete sich in der Rückwand des Baues, der zu dieser Gasse hin lag, die Mauer. Nein, wirklich; die Mauer öffnete sich, nicht eine Tür. Das Auto gab Gas und brummte durch die Maueröffnung. Wenn ich nun gedacht hatte, es würde auf der Hofseite wieder zum Vorschein kommen, dann war ich schiefgewickelt. Nichts rührte sich.
Ich lag ungefähr eine halbe Stunde auf dem kalten Dach und fror jämmerlich, als in der Hofseite wieder die Garagentür aufging, durch die die beiden Männer vorher den, flachen Bau betretenhatten. Jetzt waren es drei, die herauskamen. Wahrscheinlich der Fahrer des eben angekommenen Wagens, dachte ich.
Ich wartete, bis sie quer über den Hof gegangen waren und in dem größeren Haus verschwanden, in dem auch der Tankwart sein Office hatte, vorn an der Straßenseite.
Hätte ich eine Sekunde daran gedacht, daß ich ja meinen Revolver nicht bei mir hatte, dann hätte ich es mir vielleicht noch überlegt. Aber mich hatte das Pflichtgefühl gepackt, also sprang ich.
Ich landete klatschend auf den Steinfliesen, die den Hof bedeckten. Eine halbe Minute lauschte ich atemlos. Es rührte sich nichts. Da richtete ich mich auf.
***
Ich brauchte fast eine Stunde, bis ich herausgefunden hatte, wie man die Garagentür öffnete, durch die die drei vorhin herausgekommen waren. Links neben der Tür befand sich ein Lichtschalter. Das raffinierte Ding mußte man hineindrücken und nach links drehen, dann ging
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