0017 - Wolfsnacht
Signore. Die Signorina hat sich ihre Badesachen geholt und ist zum Strand gegangen. Ein so knapper Bikini…« Der Mann verdrehte die Augen und deutete die Größe mit den Händen an.
»Unter- oder Oberteil?« fragte Zamorra unwirsch.
Sein Gegenüber brach mitten in seinen Schwärmereien ab und wurde wieder ernst.
»Scusi, Professor. Ich wollte die Dame nicht beleidigen. Ihre Begleiterin sitzt sehr wahrscheinlich auf dem hoteleigenen Strand hinter der Promenade. Sie können es gar nicht verfehlen, Professor. Es stehen dort große Schilder. Und entschuldigen Sie nochmals.«
Unterwürfig verneigte sich der Mann.
Zamorra konnte schon von weitem erkennen, an welcher Stelle seine Assistentin ihr Badetuch deponiert hatte. Eine Gruppe von jungen Männern hatte sich dort versammelt, und jeder versuchte, mit der schönen Unbekannten ins Gespräch zu kommen.
Diese fühlte sich reichlich unbehaglich. Denn sie hatte das Oberteil ihres Bikinis auf dem Rücken gelöst und lag auf dem Bauch.
Zuerst ganz entspannt und lässig, dann immer verkrampfter und unruhiger. Denn wenn sie sich jetzt aufrichten mußte, dann gab es sicher ein Unglück. Wer weiß, wer alles niedergetrampelt werden würde, wenn alle sich bemühten, die Blößen der schönen Dame mit den eigenen Händen zu bedecken.
Zamorra schob sich durch die Menge und kniete neben Nicole nieder.
»Hallo, Sie Strandschönheit. Wenn Sie so weitermachen, dann muß Sie das Fremdenverkehrsbüro bezahlen – und zwar nicht zu knapp. Wenn ich Sie so sehe, dann wundere ich mich gar nicht, daß der ganze Strand männerleer ist.«
»Machen Sie keine dummen Witze, Chef. Machen Sie mir lieber das verdammte Ding auf dem Rücken zu, daß ich mich richtig hinsetzen kann. Und beeilen Sie sich.«
Da Zamorra sich in seinen Jeans und seinem Polohemd in keiner Weise von anderen Strandläufigen unterscheid, sahen die jungen Männer, die schon die ganze Zeit neben der Schönen aus dem Nordland ausgeharrt hatten, in dem Neuankömmling gefährliche Konkurrenz.
Als der dann auch noch handgreiflich wurde, kannte der Ärger keine Grenzen.
Ehe Zamorra die beiden Stoffenden zu einem Knoten binden konnte, packte ihn eine Hand an der Schulter und riß ihn zurück.
»Nix zu machen, Signore. Wir zuerst hier. Wir zumachen. Du verschwinden, capito?«
Zamorra lächelte freundlich.
»Die Dame ist meine Bekannte. Und wenn hier jemand zu verschwinden hat, dann sicher nicht ich. Also, avanti, macht daß ihr wegkommt. Ich habe mit der Dame etwas zu besprechen.«
»Wir auch besprechen. Du jetzt verschwinden. Sofort. Wir helfen gern.«
Und ehe Zamorra eine Abwehrbewegung machen konnte, knallte ihm sein unfreiwilliger Gesprächspartner, ein langhaariger Junge mit tiefliegenden Augen und zusammengewachsenen Brauen, eine Faust unter das Kinn.
Zum Glück erwischte der Hieb den Professor nicht voll. Mit einem mehr als verdutzten Gesichtsausdruck wurde er zurückgestoßen und fand sich auf dem Rücken auf dem Ufergeröll liegend wieder.
»Verd…« Er zerbiß den Fluch auf den Lippen. Denn schon setzte ihm sein Gegner nach.
Er hatte einen nackten Oberkörper und trug ebenso wie der Professor Jeans.
Mit einem wilden Schrei nahm er Anlauf und flog mit den Füßen voran auf den Professor zu.
Zamorra reagierte gedankenschnell. Er wich zurück und packte im Zurückweichen die Füße des Kampfhahns. Eine schnelle Drehung, und der Kerl pflügte mit der Nase den Strand. Ein erstickter Stöhnlaut war die Folge.
Abwartend blieb Zamorra stehen.
Nicole rührte sich in der Angst, zuviel von ihren Reizen der Öffentlichkeit darzubieten, keinen Zentimeter.
Schwer rollte sich der junge Mann herum. Wo das Gesicht hätte zerschrammt sein müssen und voller Erde, sah Zamorra keinen Kratzer. Er glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können. Krampfhaft zwinkerte er. Doch das Unglaubliche blieb.
Jetzt überzog ein häßliches Grinsen das Gesicht des Mannes. Eine Hand fuhr zur Gesäßtasche, kam wieder zurück, ein kurzes Aufblitzen, ein Knacklaut, und Zamorra sah, daß sein Gegner ein Stilett in der Hand hielt. Die Klingenspitze zeigte nach oben – ein Zeichen, daß der Benutzer Erfahrung in Messerkämpfen hatte.
Ein zweiter Blick, diesmal in die Augen seines Kampfpartners, verriet dem Professor, daß aus einem an sich harmlosen Geplänkel blutiger Ernst geworden war.
Wie eine Katze duckte sich der Knabe und kam auf den Professor zu. Der bückte sich schnell und griff nach einem faustgroßen Stein.
Wer mit dieser
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