0018 - Die Hexenmühle
Mühle, auf einem sumpfig wirkenden Gelände. Blattlose Bäume streckten ihre kahlen Äste dem Mond entgegen. Dahinter führte ein Weg bergauf. Der Hügel war mit Gesträuch bewachsen.
Paul Maurer zeigte auf den Hügel. »Dort müssen wir hinauf«, sagte er. »Vielleicht können wir von dort die Lichter des Dorfes sehen.«
Kitty nickte heftig. Sie hatte die Lippen zusammengepreßt und mußte achtgeben, daß sie nicht anfing zu weinen. Während sie neben Paul Maurer herlief, warf sie immer wieder einen hastigen Blick zurück.
Nie hätte Kitty gedacht, daß es Vampire tatsächlich gab. Sie hatte immer geglaubt, daß diese blutsaugenden Wesen eine Erfindung der Horrorautoren waren. Am eigenen Leibe war Kitty Lavall nun eines Besseren belehrt worden.
Sie liefen, was ihre Beine hergaben.
Doch dann, als sie glaubten, es schon geschafft zu haben, gellte hinter ihnen Elenas Stimme auf.
»Wir kriegen euch noch!« brüllte sie. »Euer süßes Blut lassen wir uns nicht entgehen. Das schwöre ich!«
***
Ich bremste!
Suko wurde nach vorn geschleudert, knurrte einen Fluch durch die Zähne und blieb im Gurt hängen.
Mitten auf der Straße stand eine Gestalt.
Sie winkte mit beiden Armen, wurde vom weißen Licht der Scheinwerfer erfaßt und kniff die Augen zusammen, da die Helligkeit blendete.
Ich schaltete das Standlicht ein.
Die Gestalt war ein Mann. Ziemlich alt schon. Der Knabe trug Klamotten, wie man sie hin und wieder bei Vogelscheuchen sieht, hatte einen verfilzten Bart und einen Hut, dessen Krempe nach oben gebogen war.
Ich öffnete die Tür.
»Soll ich mit aussteigen?« fragte Suko.
»Nein. Deck mir lieber den Rücken. Ich glaube zwar nicht, daß der Knabe gefährlich ist, aber sicher ist sicher.«
»Okay.«
Gelassen schwang ich mich aus dem Bentley. Wir hatten eine lange Fahrt hinter uns. Mit Tücken und Hindernissen. Der Ort Bullstone lag sehr versteckt. Außerdem waren die Straßen hierher kaum als solche zu bezeichnen. Sie glichen vielmehr ausgebauten Trampelpfaden.
Der Alte war etwas zur Seite getreten, stand jetzt dicht am Straßengraben.
»Hallo«, grüßte ich. »Stehen Sie immer hier herum, oder hatten Sie einen besonderen Grund?«
Unser Anhalter legte den Kopf in den Nacken, um mich ansehen zu können. Sein Gesicht war wettergegerbt und mit unzähligen kleinen Falten durchzogen. Ich konnte nicht sagen, daß mir der Mann unsympathisch war. Er schniefte durch seine Knollennase. »Ich heiße Paddy«, stellte er sich vor.
»Und ich bin John. Der Mann im Wagen ist mein Freund Suko. Jetzt kennst du unsere Namen.«
Paddy nickte. »Ihr seid nicht von hier, wie?«
»Nein, wir kommen aus London.«
»Dann fahrt wieder dorthin zurück. So schnell es geht. Hört auf meinen Rat.«
Ich lächelte. »Warum?«
»Weil es für einen Fremden gefährlich ist, in dieser Gegend zu sein«, flüsterte Paddy.
Ich griff nach den Zigaretten und bot Paddy ein Stäbchen an.
Er nahm gleich zwei. Einen Glimmstengel steckte er sich hinter das rechte Ohr. Ich reichte Paddy – das Feuerzeug. »Warum, zum Teufel, ist es denn hier so gefährlich? Willst du mir das nicht sagen?«
Der Rauch faserte vor seinem Gesicht hoch. »Die Menschen hier haben Angst vor den Vampiren.« Paddy flüsterte den Satz, ging einen Schritt zurück und blickte mich abwartend an.
Obwohl mich seine Worte elektrisierten – zeigten sie mir doch, daß wir auf der richtigen Spur waren –, winkte ich gelassen ab. »Vampire! Wer glaubt denn schon daran?«
»Sag das nicht, John. Es gibt sie. Mir haben sie vor Jahren meine Frau geraubt, und ich habe geschworen, mich zu rächen. Ich ziehe durch die Gegend, und das hier habe ich immer bei mir.« Er griff unter seine Jacke, holte einen angespitzten Holzpflock hervor und hielt ihn mir vor das Gesicht. Seine Augen leuchteten, als er sagte: »Damit, John, werde ich sie pfählen. Einen habe ich schon geschafft, aber ich kriege sie alle. So, jetzt habe ich alles gesagt. Fahrt zurück, schnell, ehe sie euch schnappen. Heute nacht ist Vollmond, das ist ihre Zeit.«
Ich ging darauf nicht weiter ein, sondern erkundigte mich nach der Mühle.
Paddy schlug hastig ein Kreuzzeichen. »Nie dürfen normale Menschen dorthin«, gab er flüsternd zur Auskunft. »In der Mühle hausen sie doch, John. Sie werden…«
Ich klopfte dem Alten auf die Schulter. »Schon gut, Paddy«, sagte ich. »Wir suchen erst einmal ein Quartier für die Nacht und sehen dann weiter. Vielen Dank auch für deine Warnung. Sollen wir dich ein
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