0018 - Die Hexenmühle
wirklich das Ende der Welt.«
»Vergiß nicht, daß es Nacht ist.« Abermals schlug ich gegen die Tür. Was ich nicht zu hoffen gewagt hatte, trat ein. Schlurfende Schritte näherten sich. Von innen schwang eine Guckklappe hoch. Prüfend und mißtrauisch wurden wir gemustert.
»Was wollt ihr?«
Ich setzte ein Sonntagslächeln auf. »Ein Nachtlager, mehr nicht.«
»Wir sind besetzt. Fahren Sie weg. Schnell.«
Wieder diese Warnung. Langsam wurde mir die Sache zu bunt. Ich holte meinen Ausweis hervor und hielt ihn dicht gegen die Klappe. »Lesen können Sie doch – oder?«
Der Mann hinter der Tür schniefte. »Sie sind von der Polizei?«
»Genau. Und jetzt öffnen Sie bitte.« Ich steckte den Ausweis wieder weg.
Tatsächlich wurde die Tür quietschend nach innen gezogen. Dann stand der Wirt vor uns.
Es gibt wirklich dünne Menschen, und ich hatte auch schon viele gesehen, aber der Knabe konnte sich hinter einem Laternenpfahl noch ausziehen.
Himmel, war das ein Gestell.
Auch das Gesicht des Mannes sah merkwürdig aus. Tiefe Ringe unter den Augen, ein schmallippiger Mund und eine lange Nase mit messerscharfem Rücken. Zwei breite, grüne Hosenträger hielten die abgeschabte Cordhose. Und das Hemd hatte auch schon bessere Zeiten erlebt.
Suko holte unsere beiden Koffer, während ich mit dem Mann verhandelte.
»Sie sind also der Wirt«, stellte ich fest.
»Ja.«
Ich stellte mich und Suko vor. Auch der Wirt sagte seinen Namen. Er hieß Horace Hiller. Natürlich hatte er freie Zimmer. Mehr als genug sogar.
Wir konnten uns das beste davon aussuchen.
»Erdgeschoß reicht«, sagte ich.
»Dann folgen Sie mir bitte.«
Im Augenblick befanden wir uns in einem breiten Gang. Links und rechts waren weiß getünchte Mauern. Eine breite Tür führte nach hinten in den Hof. Der Boden war mit roten Fliesen ausgelegt. An der Decke schaukelte eine Segeltuchlampe. Daß Strom vorhanden war, sah ich an den Leitungen, die über dem Putz an der Wand entlangliefen.
Wir wandten uns nach links, mußten zwei Stufen hochsteigen, drückten eine Tür auf, die mit zwei Querbalken verzielt war, und standen in einem Flur. Links zweigten Türen ab.
»Hier liegen die Zimmer«, sagte Hiller.
»Und die Gaststube?« fragte ich.
»Befindet sich rechts vom Eingang. Soll ich Ihnen Ihr Zimmer einmal zeigen?«
»Wir bitten darum.«
Der Raum hinter der ersten Tür war sehr einfach eingerichtet, aber – und das überraschte mich – peinlich sauber.
»Ihr Freund kann das Zimmer nebenan haben. Die Möblierung ist die gleiche.«
Ich zog die Nase hoch. »Hier riecht es nach Knoblauch«, stellte ich fest.
Der Wirt nickte und senkte den Blick. »Das stimmt, Sir.« Er hob die knochigen Schultern. »Wir hängen oft Knoblauchstauden auf.«
»Warum?«
»Ein alter Brauch.«
Ich lachte gekünstelt. »Und ich dachte schon, wegen der Vampire.«
Horace Hiller zuckte zusammen. Ihm lag eine Frage auf den Lippen, doch er schluckte sie hinunter.
Ich wechselte das Thema. »Bewirtschaften Sie das Gasthaus allein?«
»Nein. Meine Frau hilft. Die Tochter ist leider tot.«
»Unfall?«
»So ungefähr.« Der Wirt ließ sich jedoch auf keine nähere Erklärung ein, wünschte uns eine gute Nacht und verschwand. Leise drückte er die Tür ins Schloß.
Suko ließ sich auf einen primitiven Holzstuhl nieder und stemmte beide Ellbogen auf den Tisch. »Na, Geisterjäger, was hältst du von der Sache?«
Ich trat ans Fenster und blickte in die Nacht hinaus. »Die Menschen hier haben Angst vor den Vampiren. Sie leiden unter ihrem Terror. Wer weiß, wie groß die Anzahl der Opfer ist, die diese verdammten Blutsauger schon gefunden haben.«
»Dann müßten wir in der Mühle ja ein regelrechtes Vampirnest finden«, folgerte Suko.
»Vielleicht.«
»Na ja.« Suko stand auf. »Ich gehe mal rüber in meine Suite. Heute nacht passiert wahrscheinlich nichts mehr. Bei Tageslicht sieht alles schon viel anders aus.« Mein Partner verschwand.
Ich rauchte noch eine Zigarette. Still war es im Zimmer. So ruhig, daß ich das Ticken meiner Armbanduhr hörte. Während ich den blaugrauen Rauchwolken nachschaute, drehten sich meine Gedanken um den Fall.
Kiriakis hatte uns auf die Spur gebracht, und von Myxin, dem Magier, hatte ich weitere Informationen erhalten. Er aber wollte, daß ich in die Falle lief. Und Myxin kannte mich. Er wußte, daß ich nicht so leicht aufgab. Schließlich hatte ich das Dämonenauge zerstört. Demnach mußte diese Mühle ein verdammt heißes Pflaster
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