002 - Die Angst erwacht im Todesschloss
Er
befand sich außerhalb des kurzen Tunnels, im Bach, und dieser Bach wurde
schließlich so flach, dass Larry nicht mehr schwimmen konnte. Einmal musste der
Wasserzufluss aber ans Tageslicht treten, und dann war er gerettet. Es gab hier
unten einen Ausgang, dessen war Larry so gut wie sicher.
Während er mechanisch dem Lauf des Baches folgte, arbeiteten seine Gedanken
wie das Räderwerk einer Maschine.
Die Auswertungen, die Scotland Yard bisher erstellt hatte, die Reaktion des
Duke, die Mordanschläge auf ihn, schon auf der Herfahrt – das alles fügte sich
einigermaßen zusammen. Jemand wehrte sich, jemand fürchtete sich ...
Walker? Unwillkürlich kam Larry Brent wieder der Name in den Sinn. Der
Sterbende hatte von einem Mann namens Walker gesprochen. Wer war dieser Walker?
Wusste es der Duke?
Er hatte jedenfalls nicht darauf reagiert. Je mehr Larry Brent nachdachte,
desto klarer wurde ihm, dass er einer ungeheuer wichtigen Sache auf der Spur
war. Sie musste so wichtig sein, dass man zwei harmlose Besucher des Schlosses
einfach ermordete, um zu verhindern, dass nichts an die Öffentlichkeit
gelangte.
Das eiskalte Wasser hatte das Gefühl in Larrys Beinen förmlich absterben
lassen. Aber es entging ihm nicht, dass er mit seinem rechten Fuß plötzlich
gegen etwas Rundes, Weiches stieß, das auf dem Grund des Baches lag.
Sofort verhielt Larry Brent im Schritt.
Der PSA-Agent bückte sich, stieß mit beiden Händen in das eisige Wasser und
tastete nach dem Gegenstand zu seinen Füßen.
Er fuhr zusammen.
Das Ganze fühlte sich an ...
Ruckartig riss er das unbekannte Etwas in die Höhe, sein Herzschlag
stockte.
Larry Brent hielt – einen abgeschlagenen Menschenkopf in den Händen ...
Sekundenlang stand der Agent wie gelähmt. Doch dann grellte ein Gedanke
blitzartig in seinem Gehirn auf.
Dieser abgeschlagene Kopf – war es der von Harry Banning?
Er war der letzte gewesen, den man hier im Schloss vermisste. Auch wenn
Larry in der Finsternis nichts Genaues erkennen konnte, blieb ihm doch eins
nicht verborgen: Es war der Kopf eines Mannes ...
Larry Brent legte seinen schaurigen Fund an den Bachrand, merkte sich die
Stelle, wo er auf den Kopf gestoßen war, und tastete dann mit den Füßen die
Umgebung der Fundstelle ab.
Zu einem Kopf gehörte ein Körper, aber den fand er nicht. Nachdenklich ging
Larry weiter. Er bewegte sich, als trage er schwere Eisenkugeln an den
Fußgelenken.
Plötzlich fühlte er einen frischen Luftzug auf dem Gesicht. Das Ende des
Tunnels?
Ja!
Der PSA-Agent sah die nebelgeschwängerte Finsternis vor sich; dahinter
befanden sich mächtige Steinquader, die drohend vor ihm emporragten.
Larry Brent blickte sich um.
Er stand vor einem Friedhof ...
Die steinernen Gräber der Huntingdons – stumme Zeugen der Vergangenheit.
Auf den breiten Grabplatten standen die Namen derer gemeißelt, die längst
vergangen waren.
Zehn, fünfzehn von diesen steinernen Gräbern zählte Larry Brent. Er befand
sich auf der Rückseite des Schlosses. Links ragte der Tower in die Höhe und
verlor sich in dichten Nebelschwaden. Es sah gerade so aus, als ob jemand dort
oben die Turmspitze und das Gemäuer abgetragen hätte. Vom oberen Teil des Turms
sah man nämlich so gut wie nichts mehr.
Das Schloss lag in tiefer Ruhe und in völliger Finsternis.
Larry ging zwischen den Steingräbern hindurch und ließ seinen Blick in die
Runde schweifen. Weit und breit war keine verdächtige Bewegung, kein Geräusch,
keine Gestalt, die die Ankunft dieses vor Nässe triefenden Mannes beobachtet
hätte.
Larry Brent ahnte nicht, dass dieser private Familienfriedhof noch eine
schaurige Überraschung bot.
●
Der Duke fuhr immer wieder mit dem seidenen Taschentuch über seine Stirn.
Er saß in seinem Zimmer, unfähig, das Erlebnis der letzten Stunden zu verdauen.
Und er hörte sie im Zimmer seines Gastes rumoren. Sie durchsuchten alles; sogar
Mr. Crawley war gekommen, außerplanmäßig. Diesmal hatte er nicht den
Seiteneingang benutzt. Er war nach oben gekommen. Der Duke hatte ihn zum ersten
Mal aus der Nähe gesehen.
Der Mann im Sessel fuhr zusammen.
Schritte näherten sich dem Raum. Der Duke hielt unwillkürlich den Atem an.
Da wurde die Tür aufgerissen.
Crawley und seine beiden Begleiter standen auf der Schwelle. Crawley hatte
wie immer einen dunklen Hut auf, der halb über die Stirn gerutscht war, so dass
seine Augen ständig im Schatten lagen.
Was der Duke von Crawley sah, war lediglich die spitze,
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