002 - Die Nacht der Mumie
natürlich auch über Ihren Freund.«
»Hoffentlich hat er nicht zu dick aufgetragen. Wir können nämlich auch keine Wunder vollbringen«, erwiderte ich.
»Sie müssen Rat Nem-Marun zurückholen.«
»Ich werde es versuchen, Mr. Thomas.«
»Wenn Sie es nicht schaffen, kommt es zu einer Katastrophe.«
Ich lächelte dünn. Meiner Ansicht nach übertrieb der Museumsdirektor ein bißchen. Mir war zwar der Ernst der Lage klar, aber solange sich keiner fand, der Rat Nem-Marun den heiligen Skarabäus abnahm, konnte die Mumie niemandem gefährlich werden.
Der Mann neben George Thomas hieß Ron Marlowe, groß, breit in den Schultern, etwa fünfzig, sonnengebräuntes Gesicht. Eine Persönlichkeit, die schon viel von der Welt gesehen hatte. Er war der Manager der Sonderausstellung – und Tucker Peckinpahs Freund.
Sein Händedruck war fest. Er schaute mir ernst in die Augen. »Es fällt mir schwer, das zu sagen, Mr. Ballard, aber wenn Sie Rat Nem-Marun wiederfinden, sollten Sie ihn vernichten. Das hat bisher noch niemand geschafft, deshalb existiert er noch. Aber Sie würden der Menschheit einen unschätzbaren Dienst erweisen, wenn Sie den Hohenpriester des Teufels zur Hölle schickten.«
Wir begaben uns in den Saal, in dem Rat Nem-Marun ausgestellt gewesen war. Ich erfuhr, was sich ereignet hatte. Zwei Männer waren durch das Fenster eingestiegen. Der Nachtwächter Dan Jackson hatte sie entdeckt. Daraufhin hatte ihn einer der beiden Verbrecher niedergestochen. Anschließend hatten sie die Mumie geklaut.
»Woher kennen Sie diese Einzelheiten?« fragte ich den Museumsdirektor.
»Von Jackson«, antwortete George Thomas.
»Er ist nicht tot?«
Thomas schüttelte den Kopf. »Ich nehme an, die Verbrecher hielten ihn für tot, deshalb kümmerten sie sich nicht weiter um ihn. Dan Jackson hatte noch die Kraft, sich zum Telefon zu schleppen und mich anzurufen, ehe er zusammenklappte. Ich wohne nur zwei Straßen von hier entfernt, kam sofort her…«
»Wo ist Jackson jetzt?«
»Im Krankenhaus.«
»Haben Sie schon die Polizei verständigt?«
»Nein, noch nicht. Ich rief, nachdem ich den Krankenwagen bestellt hatte, Mr. Marlowe an, und der setzte sich mit Mr. Peckinpah in Verbindung – und Mr. Peckinpah meinte, hier könne nur einer helfen: Sie.«
»Es gibt also einen wichtigen Augenzeugen«, sagte ich. »Bei dem müssen wir einhaken, um den Mumienräubern auf die Spur zu kommen.«
»Die Zeit drängt, Mr. Ballard«, sagte Ron Marlowe. »Rat Nem-Marun kann jeden Moment erwachen.«
»Nicht, solange er den heiligen Skarabäus um den Hals trägt«, widersprach ich.
Da wies Marlowe auf eine Glasvitrine, in der verschiedene Dolche ausgestellt waren. Auf dem flachen Glaskasten lag etwas.
Eine dickgliedrige Goldisette mit einem großen steinernen schwarzen Skarabäus!
Es war die Kette, die die Mumie auf magische Weise gefesselt hatte. Ich hatte das Gefühl, jemand hätte mich mit Eiswasser übergossen.
Ron Marlowe sagte: »Als die Verbrecher die Mumie zum Fenster hinaushievten, rutschte die Kette von Rat Nem-Maruns Hals und blieb zurück.«
Ich hatte plötzlich Atembeschwerden. »Großer Gott«, preßte ich hervor.
»Sie wissen, was das bedeutet, Mr. Ballard«, sagte Marlowe.
»Ja«, erwiderte ich heiser. »Das weiß ich.«
Es wäre wichtig gewesen, Rat Nem-Marun noch in dieser Stunde zu finden, und selbst dann war nicht sicher, ob der Hohepriester der Hölle mit seinem grausigen Werk nicht schon wieder von neuem begonnen hatte.
Alarmstufe 1!
Wieder einmal lastete eine schwere Bürde auf meinen Schultern.
Wir mußten Rat Nem-Marun zur Hölle schicken. Wir hätten das auch liebend gern getan. Aber, verdammt noch mal, wo steckte die Mumie? Wer hatte den Wahnwitz begangen, diesen gefährlichen Mörder zu stehlen?
London ist eine Riesenstadt mit Tausenden von Verstecken.
Lieber Himmel, wie sollten wir im Handumdrehen eine Stecknadel im Heuhaufen finden?
Mann, ich fühlte mich in diesem Augenblick vielleicht mies.
***
Teddy Todd fuhr nicht schneller, als es erlaubt war. Er wollte mit der heißen Fracht keiner Polizeistreife in die Hände fallen. Gordie Bedford saß neben ihm und rauchte eine Zigarette.
»Was machst du denn für ein finsteres Gesicht, he?« fragte Bedford grinsend. »Du bist doch auf keiner Beerdigung.«
»Ehrlich gesagt, ich fühle mich nicht wohl in Rat Nem-Maruns Nähe. Seit ich die Mumie angefaßt habe, habe ich den Eindruck, da ist etwas von diesem Toten an meinen Händen kleben
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