002 - Die Nacht der Mumie
etwas Verrücktes in den Sinn kommen?«
»Oh, es gibt mehr Irre als Bürgermeister auf dieser Welt«, erwiderte Mr. Silver und unternahm einen neuerlichen Versuch, mit Tony Ballard Verbindung aufzunehmen.
***
Der Apparat schnarrte. Es war mal wieder genau der richtige Zeitpunkt, denn ich wußte schon nicht mehr, wie ich die Zeit totschlagen sollte. Mir fällt nichts so schwer, als stillzusitzen und zu warten. Ich habe es lieber, wenn sich etwas tut.
Doch Teddy Todd und Gordie Bedford erschienen nicht auf der Bildfläche.
Ich holte den Hörer des Autotelefons aus der Halterung und meldete mich.
»Endlich erreiche ich dich«, sagte Mr. Silver vorwurfsvoll. »Sag mal, wo steckst zu denn? Wieso bist du ohne mich abgehauen? Warum hast du nicht auf mich gewartet, Tony?«
»Fühlst du dich neuerdings als meine Gouvernante? Das wußte ich nicht«, spielte ich den Beleidigten.
»Quatsch. Was ist das für ein neuer Fall, den du dir hinter meinem Rücken zugelegt hast?«
Ich berichtete meinem Freund, was passiert war.
»Ich kann verstehen, daß du Johnnie Waites Mörder kriegen möchtest«, sagte der Ex-Dämon, »aber im Moment gibt es für uns etwas Wichtigeres zu tun.«
»So? Was denn?«
»Rat Nem-Marun wurde aus dem Museum der Freunde ägyptischer Kultur gestohlen.«
Mir rieselte es kalt über den Rücken. »Wann?«
»Ich nehme an, eben erst.«
»Von wem weißt du das?«
»Tucker Peckinpah hat angerufen. Er ist mit dem Manager der Sonderausstellung befreundet. Der muß sich wohl mit der Bitte um Hilfe an ihn gewandt haben, und Peckinpah gab den Hilferuf an uns weiter. Wir sollen sofort zum Museum kommen, Tony.«
»Okay«, sagte ich. »Ich zische gleich ab.«
»Und ich nehme mir ein Taxi. Wir treffen uns vor dem Museum.«
»Alles klar«, sagte ich und schob den Hörer in die Halterung zurück. Meine Gedanken rotierten. Rat Nem-Marun war so etwas wie eine Zeitbombe der Hölle, ja, so konnte man die Mumie bezeichnen, denn der Hohepriester des Satans lebte noch unter seinen dicken Bandagen. Es brauchte nur einer so verrückt zu sein, ihn vom heiligen Skarabäus zu befreien, und schon wurde Rat Nem-Marun wieder aktiv.
Er würde wahllos töten, wie er es früher getan hatte. Niemand würde vor ihm sicher sein. Nicht einmal der, der ihm die Rückkehr ermöglichte. Der würde wahrscheinlich als erster dran glauben müssen.
Ich startete den Motor. Teddy Todd, Gordie Bedford, der Mord an Johnnie Waite, das war jetzt – bei aller Dringlichkeit – zweitrangig. Waite war tot, und ich konnte ihn nicht mehr lebendig machen. Deshalb war es jetzt wichtiger, zu verhindern, daß in dieser Nacht und in den folgenden Nächten auch andere Menschen ihr Leben verloren… durch die Hand von Rat Nem-Marun!
Der weiße Peugeot zischte wie ein Blitz ab.
Ich fuhr nicht die kürzeste Strecke zum Museum, dafür aber die verkehrsärmste. Das brachte mir einen Zeitgewinn von mehreren Minuten ein. Als ich das Gebäude erreichte, trat ich gefühlvoll auf die Bremse, setzte den Wagen in eine Parklücke zurück und stieg aus.
Ein Auto bog um die Ecke.
Ein Taxi.
Ihm entstieg wenige Augenblicke später Mr. Silver. Ich ging auf ihn zu. Er grinste. »Wenn man dich einen Moment aus den Augen läßt, bist du schon eine Wolke.«
»Ich rechnete nicht damit, daß du mich vermissen würdest.«
Wir begaben uns zum Museumseingang, der offen war. Ungewöhnlich für diese Zeit. Unweit vom Eingang entfernt stand Tucker Peckinpahs silbermetallicfarbener Rolls-Royce.
Wir schritten eine breite Treppe hoch, gelangten in ein lichtdurchflutetes Foyer. Dort standen drei Männer. Einer davon war Tucker Peckinpah, rundlich, gelichtetes Haar, die unvermeidliche Zigarre im Mund.
Er ging uns entgegen. »Hallo, Tony.«
»Lange nicht gesehen, Partner«, feixte ich.
»Wie geht’s?« erkundigte sich der Industrielle fürsorglich.
»Blendend. Ich habe vom Mittag bis zum Abend geschlafen.«
»Ich auch«, sagte Peckinpah. Er seufzte. »Kaum habe ich eine Aufregung hinter mir, ist schon die nächste zur Stelle. Kommen Sie, ich mache Sie mit den Gentlemen bekannt.«
Mr. Silver und ich lernten zuerst George Thomas, den Museumsdirektor, kennen. Das war ein kleiner Mann mit finsterem Blick, dessen dunkler Anzug rasiermesserscharfe Bügelfalten hatte.
Er schaute uns an, als hinge sein Leben an einem seidenen Faden und wir wären seine einzige Rettung. Sein Händedruck war nervös und feucht. »Mr. Peckinpah hat sehr viel Gutes über Sie erzählt, Mr. Ballard. Und
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