002 - Flucht von Phönix
hinunter starrte. Pieto folgte ihm. Erst ein paar Meter weiter richteten sie sich im Sichtschutz eines Felsens auf.
»Was tun?«, fragte der Junge.
Besorgt schaute Ken Randall zum Horizont, wo sich bereits erstes Rot der Morgendämmerung abzeichnete.
»Schlafen«, antwortete er mit einem gekünstelten Lächeln. Obwohl ihm die Zeit unter den Nägeln brannte, ließ er sich nicht zu einer unvorsichtigen Aktion hinreißen.
»Was?«
Der Survival-Spezialist deutete zum Horizont.
»Es wird hell. Wir müssen bis zur nächsten Nacht warten. Nur im Dunkeln können wir das Schattentor erreichen.«
Er sprach langsam, betonte jedes Wort und unterstrich es mit Gesten, damit der Junge ihn verstehen konnte. Es gelang ihm, Pieto verständlich zu machen, was er meinte.
Der Bulowa nickte zustimmend. »Schlafen bis dunkel.«
Sie suchten, bis sie eine kleine Höhle gefunden hatten. Der Eingang wurde durch wucherndes Gestrüpp verborgen und war kaum zu entdecken. Nicht einmal eine dreimal so große Zahl von Eingeborenen konnte das ganze Gebiet so gründlich durchkämmen, dass sie dieses Versteck finden würden.
Zudem würden sie die Annäherung rechtzeitig genug bemerken.
Pieto verschwand kurz und kehrte mit einigen Büscheln Fettgras zurück.
Randall verzog angewidert das Gesicht. Das Gras war zwar nahrhaft, aber dafür noch lange keine Gaumenfreude. Mit Todesverachtung schlang er ein paar Halme hinunter, um den schlimmsten Hunger zu lindern.
Dann bereiteten sie sich ein dürftiges Lager.
Ken Randall lag noch lange wach. Seine Gedanken schweiften zu Tanya Genada und den anderen Teilnehmern ihres Teams. Er hoffte, dass die Bulowas ihre Wut über seine Flucht nicht an ihnen ausließen.
Das Wichtigste war, dass er in die Station hineinkam. Auch wenn er immer noch keine Ahnung hatte, wer das Star Gate errichtet hatte und er mit der Technik nicht vertraut war, würde er versuchen, Hilfe herbeizuholen. Notfalls würde er ungeachtet der Gefahr jeden einzelnen Knopf und Schalter betätigen.
Irgendwann glitt Randall in einen leichten, von Alpträumen gequälten Schlaf.
*
Mit gemischten Gefühlen betrachtete Jerry Bernstein das Gebäude, in dem das Lucky Dreams lag. Es war nicht das erste Mal, dass er das Lokal aufsuchte, dennoch war heute alles anders als sonst.
Wenn er früher herkam, dann meist, um irgendwelche Informationen zu erhalten. Ein guter Reporter musste immer wissen, was in seiner Stadt lief und in der Hinsicht war das Lucky Dreams eine wahre Goldgrube. Wenn er irgendwo Hilfe finden konnte, dann hier.
Bernstein wusste nicht, warum die Polizei und die Sicherheitstruppen von Mechanics den Laden nicht längst schon dicht gemacht hatten. Das Lokal verkörperte alles das, wogegen sie kämpften.
Diebe, Politische, illegale Drogenhändler – für alle, die sich mit dem Gesetz nicht gut standen, war hier ein Treffpunkt. Sie wussten sich unter ihresgleichen; kein normaler Bürger würde dem Lucky Dreams auch nur nahe kommen.
Das garantierte nicht zuletzt auch seine versteckte Lage. Es befand sich im Keller eines uralten Gebäudes in einem Vorort von Detroit, das schon vor Jahren hätte abgerissen werden sollen. Um das Lokal zu erreichen, musste man durch einen meterlangen Torbogen treten, in dessen Schatten fünf oder sechs Gestalten herum lungerten. Bernstein konnte ihre Gesichter in der Dunkelheit des Gewölbes nicht einmal ansatzweise erkennen, aber man sagte, dass sie einen Polizisten schon auf Hunderte von Metern ausmachen würden.
Bernstein war bekannt und konnte ungehindert passieren.
Der Weg führte über einen mit Unrat übersäten Hof. Von dort stieg er über eine Treppe zum Lokal hinunter.
Das Lucky Dreams sah aus wie immer und doch schien sich die Atmosphäre auf eine undefinierbare Art verändert zu haben. Jerry wusste, dass er sich das nur einbildete. Die Veränderung war in ihm selbst vorgegangen.
Bislang war er immer als Außenstehender hergekommen. Nun war das anders. Er gehörte gewissermaßen dazu, war selbst einer dieser Leute hier.
Das Lokal war wie immer überfüllt. Bernstein bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmassen, bis er Pierre Vallon entdeckte. Der Dealer saß allein an einem Tisch. Einen Augenblick lang glaubte Bernstein, im Gesicht des Franzosen Erschrecken zu lesen, als dieser ihn erblickte. Doch er konnte sich auch getäuscht haben.
»Jerry, was willst du hier?«, fragte er und deutete auf den freien Platz neben sich. Der Reporter nahm auf dem wackeligen Plastikstuhl
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