0020 - Der Mord, der mir den Atem nahm
gefaßt hatte, fragte ich sie, was wir nun tun sollten. Ich habe sie ein paarmal gefragt, aber sie schien mich überhaupt nicht zu hören. Sie starrte durch mich hindurch. Da rief ich schließlich die Polizei an.«
»Und weil es so zog, schlossen Sie das Fenster, nicht wahr?«
»Welches Fenster denn?«
»Himmel! Natürlich eines der Fenster im Wohnzimmer!«
»Die waren doch schon zu, als ich ins Zimmer kam!«
»Na, dann haben Sie eben die Verandatür zugemacht!«
»Aber nein! Die Verandatür war auch zu und von innen verriegelt!«
Ich gab es auf. Ich packte ihr die Dose auf den Tisch und sagte:
»Ich glaube Ihnen nichts. Ich glaube Ihnen gar nichts. Wenn es so wäre, wie Sie es sagen, dann müßte sie ihn wirklich erschossen haben. Aber sie war es nicht. Und ich werde herausfinden, wer es war. Ich werde auch herausbekommen, wie der Täter nach dem Schuß auf so spurlose Weise das Haus verlassen konnte. Ich werde es herausfinden, und wenn ich darüber hundert Jahre alt werden sollte.«
Die Küchentür schlug hinter mir ins Schloß. Langsam ging ich über den Kiesweg zurück. Hier war ein Fall, an dem man sich buchstäblich die Zähne ausbeißen konnte.
Eine Dreiviertelstunde später stand ich vor der Anmeldung im Untersuchungsgefängnis. Natürlich war kein Mensch mehr da. Ich klingelte Sturm. Endlich erschien ein alter Wärter mit schlurfenden Schritten.
»Cotton, FBI«, sagte ich und hielt ihm meinen Dienstausweis hin. »Ich muß einen Ihrer Häftlinge sprechen.«
»Kommen Sie morgen wieder«, brummte er ungerührt und wollte mir die Tür vor der Nase zuknallen.
Ich schob meinen Fuß dazwischen und drückte die Tür auf.
»Wenn Sie mich in der Ausübung meiner Dienstpflichten behindern wollen, werde ich Ihnen ein Disziplinarverfahren anhängen, daß Ihnen die Augen übergehen«, bluffte ich. »Sie haben wohl noch nie davon gehört, daß das FBI zu jeder Tages- und Nachtzeit eingelassen werden muß?«
Er wurde schwach in den Knien. Wenn er seine Dienstvorschriften gekannt hätte, wäre er nicht auf meinen Schwindel hereingefallen. Aber mein sicheres Auftreten machte ihn so verdattert, daß er die Märchen glaubte, die ich ihm auftischte. Er trat zögernd beiseite.
»Zu wem wollen Sie?« erkundigte er sich.
»Zu Mistreß Haters.«
»Was?«
Er sah mich neugierig an.
»Zu Mistreß Haters?«
»Ja, hören Sie schwer?«
»Nein. Aber da hätten Sie eine Viertelstunde früher kommen müssen.«
»Warum denn? Verdammt, so machen Sie doch endlich Ihren Mund auf!«
»Mistreß Haters beging vor einer Viertelstunde einen Selbstmordversuch. Sie riß sich die Pulsadern auf.«
Ich fühlte, wie meine Knie weich wurden. Ich lehnte meinen Rücken gegen die kühle Steinmauer und schloß die Augen. Ein Selbstmordversuch? War das ein indirektes Geständnis?
***
Ich fuhr zum nächsten Drugstore und holte mein versäumtes Mittagessen nach. Natürlich hatte ich nicht zu Debora Vordringen können. Sie sei noch bewußtlos, hatte mir der Wärter erklärt, und ich mußte es wohl oder übel glauben.
Nach dem Essen ließ ich mir einen Whisky mit Soda kommen und steckte mir eine Zigarette an. Langsam überdachte ich alles, was ich im Zusammenhang mit diesem Mordfall bisher in Erfahrung gebracht hatte. Es war nicht ermutigend. Ich wußte nicht, wer der Täter war, und ich glaubte nur, daß es eine Person ganz bestimmt nicht war, nämlich Debora. Trotz des Selbstmordversuches. Aber der Mörder selbst machte mir eigentlich den geringsten Kummer. Ihn würde ich früher oder später schon finden. Viel schwieriger würde es werden, ihm die Tat nachzuweisen. Ein Mörder, den man nicht überführen kann, ist juristisch gesehen keiner. Das brennendste Problem war nach wie vor: Wie hat der Mörder das Haus betreten — und vor allem: wie hat er es nach der Tat so spurlos wieder verlassen können, wenn alle Türen und Fenster von innen verschlossen oder verriegelt waren?
Ich bezahlte meine Zeche und fuhr mit dem Jaguar nach Süden. Im Adreßbuch hatte ich nachgeschlagen, wo Haters seine Gummireifenfabrik hatte. Ich fand sie ohne Schwierigkeiten.
Der Prokurist war ein lebenslustiger Bursche von etwa fünfundvierzig Jahren. Er kam mir grinsend bis an die Tür entgegen, nachdem mich eine sehr hübsche Sekretärin angemeldet hatte.
»Ich habe noch nie mit dem FBI zu tun gehabt«, lachte er mich an. »Aber ich war schon immer neugierig darauf, einmal einen echten G-man kennenzulernen. Nehmen Sie Platz, Mister…«
»Cotton, Jerry
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