0020 - Der Mord, der mir den Atem nahm
Cotton.«
»Angenehm, Mister Cotton. Ich habe schon einiges über Sie in den Zeitungen gelesenl Mein Kompliment! Solche Leute braucht Amerika wie die Wüste das Wasser. Was verschafft mir die Ehre? Haben in unseren Gummireifen Rauschgiftpakete gelegen? Oder Sprengbomben? Oder sind etwa Mädchenhändler nebenberuflich bei uns in der Firma tätig?«
Ich wehrte mit ausgestreckten Armen ab:
»Nichts von alledem, Mister…«
»Rando, Sam Rando.«
»Danke. Die Sache ist sehr ernst, Mister Rando. Wer ist hier der Boß?«
»Mister Haters. Das wissen Sie doch sicher. Sein Name steht doch groß und breit draußen an der Hauswand.«
»Ich wollte mich nur vergewissern. Ist Ihnen in den letzten Tagen an Ihrem Boß irgend etwas Besonderes aufgefallen? War er verändert? Benahm er sich irgendwie anders als sonst?«
»Eigentlich nicht. Mir ist jedenfalls nichts dergleichen aufgefallen. Nun habe ich allerdings täglich nur etwa eine Stunde mit ihm zu tun. Vielleicht wenden Sie sich an seine Erste Sekretärin. Die ist dauernd um ihn rum, sie müßte Ihnen eher etwas berichten können. Mich wundert eigentlich nur eine einzige Sache.«
»Und welche?«
»Daß er heute anscheinend überhaupt nicht zum Dienst gekommen ist. Ich muß schon eine Menge Überstunden machen, damit das Dringendste vom Schreibtisch des Chefs noch erledigt wird. Daß er vormittags nicht in die Firma kommt, das geschieht recht häufig. Immer wenn er in der Nacht vorher — na, Sie verstehen mich sicher. Aber heute hat er sich überhaupt nicht sehen lassen. Nicht einmal eine Nachricht hinterlassen. Ich habe mir den ganzen Tag überlegt, ob ich ihn an rufen sollte, aber dann ließ ich es doch. Wer weiß, warum er heute nichts von der Firma wissen will.«
Ich musterte diesen Mister Rando. Seine sprudelnde- Art zu reden, unruhige Gesten dabei zu machcn, ging mir ein wenig auf die Nerven. Andrerseits war er von einer herzerfrischenden Offenheit. Oder täuschte ich mich?
»Er konnte heute nicht in die Fabrik kommen«, sagte ich langsam.
»Konnte nicht? Sie sagen das so seltsam! Ist etwas passiert?«
Seine Stimme hatte völlig arglos geklungen. Entweder wußte der Mann tatsächlich noch nichts, oder aber er war ein vollendeter Schauspieler. Ich ging nicht auf seine Frage ein.
»Sagen Sie, Mister Rando«, begann ich zögernd, während ich angelegentlich meine Fingerspitzen musterte, »hat Mister Haters eigentlich ein Testament gemacht? Ist Ihnen darüber etwas bekannt?«
»Ja, natürlich, ich mußte es doch als Zeuge unterschreiben. Warum?«
»Können Sie mir etwas über den Inhalt des Testamentes sagen? Wer erbt die Firma?«
»Die junge Frau, sein Bruder und — nun ja, eigentlich auch ich.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Mister Haters bestimmte, daß nach seinem Tode die Firma zu gleichen Teilen auf seine Gattin, seinen Bruder und mich überschrieben würde. Jede dieser drei Personen soll dreiunddreißigeindrittel Prozent des jährlichen Gewinnes erhalten. Mit der ersten Auszahlung allerdings erlischt mein Anspruch auf ein monatliches Gehalt, wie ich es jetzt beziehe.«
»Nach dem jetzigen Stand der Firma geurteilt, würde mich Folgendes interessieren: Wäre Ihr Gewinnanteil auf den Monat umgerech.net höher als Ihr jetziges Gehalt?«
»Enorm höher! Warten Sie, ich kann Ihnen das ungefähr ausrechnen!«
Er griff nach einem Zettel und einem Bleistift. Nachdem er schweigend einige Zahlen darauf gekritzelt und eine Weile dividiert und multipliziert hatte, sagte er:
»Der Gewinnanteil läge für mich ungefähr viermal höher als mein augenblickliches Gehalt.«
Ich nickte. Er bezog mindestens tausend Dollar Monatsgehalt, also würde er nach Haters Tod, der ja nun eingetreten war, mindestens achtundvierzigtausend Dollar Jahreseinkommen haben. Und das gewissermaßen bis ans Lebensende. Es waren schon für wesentlich niedrigere Beträge Leute ermordet worden.
»Wann haben Sie eigentlich Mister Haters zum letzten Male gesehen?«
Er zog die Augenbrauen zusammen. »Nehmen Sie mir's nicht übel, G-man, aber langsam gehen Sie mir auf die Nerven. Sie kommen hierher, fragen mir Löcher in den Bauch so groß wie Kanonenkugeln und beantworten mir selbst aber nicht das Leiseste. Dabei reden Sie in einer so geheimnisvollen Art, daß man überhaupt nicht mehr weiß, was man denken soll.«
»Bleiben wir bei meiner Frage«, sagte ich gemütlich und hartnäckig wie ein italienisches Maultier. »Wann haben Sie Haters zum letzten Male gesehen?« Er knurrte
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