0021 - Satans eigene Schrift
erscheinen, und die Menschen wären verloren.
Denn es würde nichts geben, was den Teufel wieder zurück in sein Reich der Finsternis jagen könnte.
Zamorra wollte eingreifen, wollte den Frevler aufhalten, wollte ihn vernichten. Aber er konnte sich von dem Druck in seinen Gedanken nicht befreien. Sollte wirklich seine letzte Stunde geschlagen haben?
Ein unerhörter Druck lastete auf seiner Brust. Als läge er unter einem tonnenschweren Felsen und würde langsam, aber sicher zerquetscht. Wie Grashalme im Wind, so bewegten sich seine Gedanken und schwankten unter dem Ansturm der dämonischen Aura, die den Kirchenraum erfüllte.
Zamorra versuchte, in seiner nächsten Umgebung etwas zu finden, worauf er seinen Willen konzentrieren konnte. Irgendwie mußte er aus diesem Raum herauskommen. Denn draußen wären die teuflischen Einflüsse nicht mehr wirksam. Gehetzt schweifte sein Blick über die nackten Mauern, die er in der Finsternis kaum erkennen konnte.
Aus der Nische konnte er nicht heraus, denn dabei hätte er sicher ein Geräusch verursacht. Und das hätte der Satan am Altar unter Garantie gehört. So ging es also nicht.
Träge lehnte Zamorra sich zurück und legte den Kopf in den Nacken. Suchend tastete er mit seinen Augen die Wand hinter und über ihm ab.
Da, hoch oben, sah er etwas funkeln. Es dauerte einige Zeit, bis er begriff, was er sah. Sterne, Nachthimmel, Freiheit!
Dort oben mußte ein Loch in der Decke sein. Zamorra schöpfte trotz seiner fast vollständigen Hilflosigkeit Hoffnung. Vielleicht winkte ihm da ein Weg nach draußen. Er brauchte nur dort hinaufzuklettern und sich hinauszuschwingen. Dann müßte sein Kopf eigentlich wieder klar werden.
Er konzentrierte sich. Die schier übermenschliche Geistesanstrengung trieb ihm den kalten Schweiß auf die Stirn. Seine Gedanken wollten abschweifen, wollten weiter dem Singsang des Alten lauschen, ja, wollten sogar mit einstimmen. Zamorra wehrte sich dagegen. Wenn er jetzt aufgab, dann war er verloren – und nicht nur er, sondern auch seine Assistentin. Sie würde sicher das nächste Opfer dieses Wahnsinnigen.
Im Zeitlupentempo kam Zamorra auf die Knie. Sorgsam darauf bedacht, keinen Laut zu verursachen, richtete sich der Professor auf.
Er schwankte leicht. Der geistige Kampf hatte ihn einiges an Kraft und Energie gekostet. Hoffentlich verließen ihn seine Kräfte nicht vollständig.
Mit zitternden Fingern tastete er die Mauer nach Vorsprüngen ab, an denen er sich halten konnte. Er entdeckte einen breiteren Riß, in die er seine Hand zwängen konnte. Wenn er sie zur Faust ballte, verkantete sie sich und klemmte unverrückbar fest.
Ja, so mußte es gehen. Sich an dem Arm dann hochziehen, irgendwie halten und dann die Faust weiter hinaufschieben und sich erneut hochziehen.
Zamorra setzte diesen Plan sofort in die Tat um. Glücklicherweise hatte er sich eine dunkle Hose und einen ebenso dunklen Pullover angezogen, so daß er in der finsteren Nische nicht als heller, beweglicher Fleck auffallen konnte.
Er reckte sich so hoch, wie er es vermochte, schob die Hand in den Riß und ballte sie zur Faust. Dann versuchte er, ob er sich so halten konnte. Ein rasender Schmerz wollte seinen Arm und seine ganze rechte Seite verzerren. Er biß die Zähne zusammen. Jetzt nur nicht aufgeben.
Zentimeterweise zog er sich nach oben. Er spürte, wie seine Haut von den Knöcheln radiert wurde, merkte, wie das Blut seinen Arm hinunterlief. Endlich war er hoch genug.
Krampfhaft tastete er mit einem Fuß nach einem Halt. Er fand ihn im gleichen Riß. Er schob den Fuß quer hinein und drehte ihn dann, bis er festklemmte.
Dann richtete er sich langsam auf. Seine Knie zitterten. Doch sein Wille war stärker. Er gab dem Bestreben, seine Bemühungen aufzugeben, nicht nach und kämpfte sich verbissen weiter hoch.
Der Alte stand noch immer mit der Schale in den Händen da. Im Licht der satanischen Aura konnte Zamorra nun auch erkennen, daß es zwei Herzen waren, die darin lagen.
Die Herzen der beiden Ermordeten! Das würde ja heißen, daß diesem kleinen Dorf eine bestialische Mordserie drohte. Diese Erkenntnis trieb ihn an. Mit neuer Kraft und frisch gestärktem Willen kämpfte er sich weiter nach oben auf die Öffnung in der Mauer zu.
Und nun konnte auch Zamorra das Geräusch von Schritten wahrnehmen.
Irgend jemand näherte sich der Kirche.
Zamorra schwang sich durch die Öffnung. Augenblicklich verflog der ungeheure Druck, der auf seinem Denken gelastet hatte. Für
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