0021 - Satans eigene Schrift
Nicole hergebracht hatten – die Frau, die ihm am nächsten war. Mit einem lüsternen Lächeln warf sie sich an seine Brust.
Sie sank in die Knie. Der Mann folgte ihr.
Auch die beiden anderen Männer waren nicht untätig geblieben.
Sie beschäftigten sich auf ähnliche Weise mit der andern Frau.
Von ihrem Platz aus konnte Nicole nicht mehr mitbekommen, was dort unten auf dem Marmorboden vor dem Altar geschah.
Doch die schrillen Schreie und das wollüstige Stöhnen der Frauen erzählten genug. Angewidert schloß sie die Augen. Sie wollte an etwas anderes denken. Der Block über ihren Gedanken gestattete es nicht.
Sie strengte sich übermenschlich an. Zu schrecklich war das gewesen, was sie bis jetzt erlebt hatte.
Ihr Körper und ihr Geist streikten. Eine schwarze Woge raste auf sie zu, ergriff sie und riß sie mit in eine bodenlose Tiefe.
***
Das letzte Stück bis zum Erdboden, etwa drei Meter, wies keinerlei Vorsprünge auf, an denen Professor Zamorra sich hätte halten können. Er starrte hinunter in die undurchdringliche Finsternis. Da dieser Bereich im Schatten lag und nicht vom Mondlicht erhellt wurde, war es so dunkel, daß Zamorra nicht die Hand vor Augen sehen konnte.
Ihm blieb nur eins. Springen!
Zamorra tastete sich so tief hinunter wie es ging und ließ dann los.
Er hatte das Gefühl, in einen endlosen Brunnen zu springen. Der Flug durch die Luft wollte in seiner Einbildung gar nicht aufhören.
Doch er endete eher, als ihm lieb war. Ziemlich heftig prallte er auf einen schrägliegenden Steinblock auf. Er rutschte ab und kippte mit dem Gesicht voran ins Gras. Dabei platzte die Schnittwunde, die er noch von seinem Zweikampf mit Jerome Claves her hatte, wieder auf. Zamorra fühlte, wie ihm das Blut auf die Brust tropfte und in den Pullover einsickerte.
Die Wunde war nicht gefährlich gewesen, und jetzt hatte er keine Zeit, sich darum zu kümmern. Er beugte sich vor, um sich mit den Händen einen Weg zu ertasten, und schlich an der Kirchenmauer entlang.
Daß er dabei eine Spur aus Blutstropfen im Gras hinterließ, merkte er nicht.
Nach einem kurzen Stück im Schatten der Mauer kam er endlich ins Helle. Der Mond gab genügend Licht, daß Zamorra seine Umgebung erkennen und sich wieder zurechtfinden konnte.
Instinktiv hatte er den richtigen Weg eingeschlagen, denn diese Seite der Kirche war unbekannt, mußte also genau der gegenüberliegen, durch die er ins Innere der Ruine gelangt war. Sichernd schaute der Professor sich um.
Plötzlich zuckte er zusammen.
Täuschten ihn seine überreizten Nerven, oder war das wirklich Gesang?
Und nun hörte er es deutlich. Eine heiser, krächzende Stimme, die die Worte kreischte, mit denen man den Satan auf die Erde holte und zum Erscheinen bewegte.
Zamorra konnte sich nicht helfen. Irgendwie kam ihm die Stimme bekannt vor. Irgendwo hatte er sie schon einmal gehört. Wo, danach kramte er umsonst in den Winkeln seines Gedächtnisses. Es war auch im Moment völlig unwichtig. Weitergeholfen hätte es ihm sowieso nicht.
Geräuschlos setzte er seinen Weg fort. Dabei achtete er darauf, ob sich in der Nähe des Gebäudes ein Friedhof befand, wie es in früheren Zeiten sehr oft der Fall war. Ein Grabkreuz hätte dem Professor in dieser Situation gute Dienste leisten können.
Doch er fand nichts dergleichen. Anscheinend war der Friedhof eingeebnet worden, wenn es überhaupt je einen gegeben hatte.
Zamorra ließ den Mut nicht sinken. Entschlossen huschte er weiter. Als er nach seiner Schätzung in Höhe des Altars war, versperrte ein Hindernis seinen Weg. Es war ein etwa mannshoher Schutthügel. Zamorra schenkte ihm keine Beachtung. Er überlegte nur, wie er ihn umgehen oder überklettern könnte. Er entschied sich für das letztere.
Als er die ersten Meter überwunden hatte, löste er mit einem Fuß einen Stein aus seinem Bett. Polternd rollte er hinunter ins Gras. Zamorra verharrte. Es war nicht bemerkt worden. Unverändert tönte der Gesang aus den leeren Fensterhöhlen und durch die Löcher in den Mauern nach draußen.
Der Alte mußte so in seine Beschwörung vertieft sein, daß die ganze Welt um ihn versunken war.
Zamorra schlich weiter. Auf den Fersen ließ er sich am anderen Ende des Schuttberges hinunterrutschen. Mit den Fingern bremste er seine Fahrt.
Kaum wahrnehmbar glitzerte die feine Blutspur im Mondlicht. Als Zamorra wieder im Gras zu ebener Erde stand, wollte er zuerst seinen Augen nicht trauen. Das gab es doch gar nicht! Vor ihm tat sich eine
Weitere Kostenlose Bücher