0022 - Der Todesfluß
retten, erfüllte ihn mit unbändiger Kraft.
Er drang durch Mauerreste und herumliegende Quadersteine weiter in die Burgruine vor. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Das Amulett hielt er in der Rechten, jeden Atemzug bereit, es als Waffe zu benutzen.
Urplötzlich riß der Wind eine neue Lücke in die Wolkendecke des Nachthimmels. Es glich dem verstohlenen Wink eines geheimen Helfers. Blasses Mondlicht ergoß sich über die Waldlichtung und erhellte die düstere Ruine für Sekunden.
Sofort erfaßte Zamorras Blick das dunkel gähnende Rechteck im Boden. Ringsherum lagen zerbröckelte Gesteinsreste, von Efeu und Unkraut überwuchert.
Der Professor zögerte nicht. Mit zwei, drei langen Sätzen erreichte er die Öffnung und sah die rissigen Steinstufen, die steil in die Tiefe führten. Das Ende der Stufen war nicht zu erkennen, verlor sich in der Düsternis.
Zamorra vergeudete keine Zeit mehr. Behende hastete er hinunter.
Er zählte dreißig Stufen. Dann mußte er den Kopf einziehen, um nicht gegen das Halbrund der aus Quadersteinen gemauerten Gewölbedecke zu stoßen.
Wieder umgab ihn Dunkelheit. Ein Blick zurück zeigte ihm, daß das Mondlicht versiegt war. Mit der Linken tastete er sich voran. In der ausgestreckten Rechten hielt er das Amulett.
Der Gang führte etwa fünfzig Meter weit geradeaus. Jahrhundertealter Modergeruch lag in dem engen Gewölbe. Spinnweben legten sich um die tastenden Finger des Professors. Ratten nahmen beim Herannahen seiner Schritte pfeifend Reißaus, um sich in Mauerlücken zu verbergen.
Der Gang endete vor einer Querwand, gabelte sich nach links und rechts. Während Zamorra noch überlegte, welche Richtung er einschlagen sollte, erscholl plötzlich das Heulen.
Gleichzeitig nahte Helligkeit von links, nahm mit dem lauter werdenden höhnischen Geheul zu. Es klang wie das Triumphieren von Wölfen, die im Begriff waren, ihr sicheres Opfer zu reißen.
Eiskalte Ruhe erfüllte den Professor jetzt. Er wandte sich nach links, ging mit festen Schritten dem Lichtschein entgegen. Jede Muskelfaser seines Körpers war gespannt – bereit, im entscheidenden Moment alle Kraft explodieren zu lassen.
Ein jäher Gluthauch eilte dem Licht voraus und traf Zamorra mit der Wucht einer Orkanbö. Doch die Glut selbst konnte ihm nichts anhaben. Das Amulett teilte die Hitze wie ein Keil, degradierte diese Waffe der Dämonen zur Wirkungslosigkeit.
Unbeirrt setzte Zamorra seinen Weg fort. Immer wieder schlug ihm der Gluthauch entgegen. Aber das Amulett schützte ihn mit verläßlicher Kraft.
Die Intensität des Lichtes nahm zu, erreichte jenen silbrigen Glanz, den Zamorra schon auf dem Fluß wahrgenommen hatte.
Hinter einer Biegung des Gangs tauchten unvermittelt die ersten Gestalten auf.
Ein schriller, geifernder Schrei ertönte aus entfernteren Winkeln des Gewölbes.
Der Befehl zum Angriff.
Die Rittergestalten stürmten schreiend, mit erhobenen Schwertern auf den Professor los.
Zamorra blieb stehen. Leicht geduckt wartete er den Ansturm ab.
Das Gebrüll der Dämonen schwoll an. Wie eine silbrige Masse fluteten sie auf ihren Todfeind zu.
Zamorra hob das Amulett. Im nächsten Atemzug schnellte er mit einem Satz vor.
Sein erster Hieb traf bereits.
Das Amulett durchtrennte die Gestalt des ersten Dämons förmlich.
Ein markerschütternder Klagelaut war zu hören. Ein Seufzer, der weit durch die Gewölbe hallte. Die beiden Hälften des Wesens lösten sich im nächsten Moment auf. An der Stelle, wo der Dämon eben noch erschienen war, formte sich ein menschliches Skelett auf dem Boden des Gangs. Leere Augenhöhlen starrten aus einem ausgebleichten Totenschädel, der oben auf den zu einem kleinen Haufen geschichteten Knochen lag.
Zamorra ließ den übrigen Dämonen keine Chance. Ehe sie zurückweichen konnten, war er zur Stelle. Erbarmungslos ließ er das Amulett immer wieder herabsausen. Und jeder seiner Hiebe traf.
Die Todesseufzer der Dämonen füllten das Gewölbe mit klagenden, schrillen Lauten aus. Skelette fielen rasselnd auf den Steinboden, und die Zahl der Totenschädel erhöhte sich auf fast ein Dutzend.
Erst jetzt gelang es den restlichen Dämonen, die Flucht zu ergreifen. Heulend vor Angst, wichen sie in die Tiefe des Gewölbes zurück.
Professor Zamorra folgte ihnen mit langen Sätzen. Sie spürten die Kraft des Amuletts nun als tödliche Drohung. Denn zum ersten Mal hatten sie in vollem Ausmaß erfahren, welche Macht ihr Todfeind durch den kostbaren Talisman besaß.
Und
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