0022 - Die Hexe von Java
rostzerfressenen Fahrzeug. Eine Frau, die wie eine Betschwester gekleidet war, züchtig hochgeschlossen, mit langen, bis an die Handgelenke reichenden Ärmeln, das Haar streng zurückgekämmt, kaum Schminke an den zarten Wangen… Katherin Colfax.
Der Mann, der die Taxifahrt bezahlte, war etwa fünfunddreißig Jahre alt, wirkte irgendwie ledern. Er trug einen weißen, großkrempigen Hut auf dem Kopf, hatte gutmütige Augen und eine großporige Gesichtshaut… Henry Colfax.
Er war schwer bepackt, trug drei Fotoapparate, eine Filmkamera und einem Kassettenrecorder um den schlanken Hals.
Das Taxi fuhr ab.
Henry Colfax entdeckte John auf der Hotelterrasse und winkte ihm freundlich lächelnd zu. »Gott zum Gruße, Mr. Sinclair.«
»Haben Sie viele schöne Aufnahmen mit nach Hause gebracht, Mr. Colfax?« fragte John.
»O ja, wir waren in Bogor und haben da alles aufgenommen, was es an Sehenswürdigkeiten gibt, und das ist eine ganze Menge.«
»Das freut mich für Sie«, sagte John.
Colfax und seine Frau wünschten Jane, John und den beiden Männern, die am selben Tisch saßen, eine gute Nacht und verschwanden dann im Hotel.
»Nette, anständige Leute«, sagte John.
»Woher kommen sie?« erkundigte sich Wade C. Davis.
»Aus Melville, Australien. Henry Colfax ist der Präsident eines äußerst rührigen Wohltätigkeitsvereins. Nicht einer von denen, die ihre Stellung dazu ausnutzen, um sich selbst zu bereichern. Er schießt immer noch etwas aus seiner eigenen Tasche zu. So etwas von Uneigennützigkeit findet man selten. Die Reise hierher hat er selbst finanziert. Das Bildmaterial, das er nach Hause bringen wird, wird er zu interessanten Lichtbildervorträgen zusammenstellen. Er wird mit seinen Aufnahmen quer durch Australien reisen. Das Geld, das dabei hereinkommen wird, ist schon im voraus für die Hungernden in Bangla Desh bestimmt.«
Wade C. Davis umklammerte sein Glas, daß sich die Knöchel weiß durch seine Haut bohrten.
John fiel das auf. Er fragte den Forscher nach dem Grund seiner plötzlichen Erregung.
Davis sagte mit belegter Stimme: »Sie erzählten mir, daß Wahadin sich immer ein höllisches Vergnügen daraus gemacht hatte, aus den saubersten Menschen schreckliche Dämonen zu machen. Wäre das Ehepaar Colfax nicht geradezu dafür vorausbestimmt, ein Opfer des Diakons zu werden?«
John Sinclair rieselte es eiskalt über den Rücken.
***
Er wünschte sich in diesem Moment, Davis hätte diesen furchtbaren Gedanken niemals ausgesprochen.
»Einen Moment«, sagte Henry Colfax zu seiner Frau. »Ich hole nur schnell den Zimmerschlüssel.«
Katherin Colfax nickte und blieb in der Hallenmitte stehen.
»Hatten Sie einen schönen Tag, Mr. Colfax?« erkundigte sich der elegant gekleidete Mann hinter dem Rezeptionspult.
»O ja, den hatten wir. Einen äußerst ergiebigen Tag«, erwiderte Colfax und legte seine schmale Hand lächelnd auf die vielen Apparate, die vor ihm standen.
Während er den Hotelangestellten um den Zimmerschlüssel bat, hatte Katherin Colfax den Eindruck, von jemandem angestarrt zu werden. Sie ließ sich zunächst nichts anmerken, aber nach einer kleinen Weile machten sich ihre Augen dann doch auf die Suche. Unauffällig, wie sie hoffte.
Die Wände der Hotelhalle waren mit glattem braunem Marmor ausgekleidet. Auch die Säulen, die die weiße Decke stützten. Es waren einige Leute in der Halle, aber sie alle zeigten nicht das geringste Interesse für sie. Katherin konnte sich dieses eigenartige Gefühl, das sich mehr und mehr verstärkte, nicht erklären.
Es störte sie immer, wenn jemand sie intensiv anblickte.
Sie war nicht gern der Grund von irgend jemandes Aufmerksamkeit.
Woher kamen diese lästigen Blicke, die sie fast körperlich spüren konnte? Sie schaute zu Henry, der sich immer noch mit dem Mann von der Rezeption unterhielt. Gott, warum ließ er sie denn nur so lange warten?
Katherin wurde nervös.
Unangenehm berührt, machte sie sich wieder auf die Suche nach der Person, die sie so intensiv beobachtete.
Am Ende der Halle, dort, wo die Fahrstühle waren, entdeckte sie ein schwarzes Augenpaar, der ihr feindselig entgegenstarrte.
Eiskalt fuhr der jungen Frau der Schreck in die Glieder.
Doch es war nicht dieser unheimliche Blick, der Katherin so schwer schockte. Nein, es war etwas ganz anderes.
Es war der Körper dieses gespenstischen Mannes.
Dieser Körper war durchsichtig wie… wie Glas!
Verwirrt fuhr sich Katherin Colfax mit der Hand über die Augen. Als sie dann
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