0022 - Thoras Flucht
zu rechnen war, daß die Saurier ihn verspeisten - nein, die Folgen waren nicht auszudenken. Der noch nicht gebändigte Nationalismus ehrgeiziger Politiker würde schon dafür sorgen, daß mit den „geretteten Vaterländern" die Terraner wieder zu Menschen wurden. Und das war genau das Schlimmste, was ihnen passieren konnte. Sie würden in das Stadium engstirnigen Nationaldenkens zurückfallen und einer Invasion Fremder aus dem All ausgeliefert sein. Diese Erkenntnis ließ nur einen Entschluß zu. Rhodan sprach ihn aus: „Wir müssen also versuchen, die Station zu erreichen. Wir werden noch einmal eine Schlafperiode einlegen, um unsere Kräfte zurückzuerlangen - dann marschieren wir. Einsatzanzüge haben wir nicht, ebenso keine genügenden Lebensmittelvorräte. Wie steht es mit der Bewaffnung?"
Okura öffnete den Wandschrank. Fein säuberlich hingen drei handliche Impulsstrahler in den Haltegurten. Sonst war der Schrank leer.
„Immerhin etwas", knurrte Marshall. „Saurier sind damit leicht zu erledigen."
Für Rhodan schien das jedoch nicht das Hauptproblem zu sein.
„Keine Maschinenpistolen? Keine Gewehre?" Er sah sich um. „Was ist an Lebensmitteln und Wasser vorhanden?"
Okura machte ein bedauerndes Gesicht.
„Ein paar Konzentrate und einige Liter Wasser. Für zwei oder drei Tage wird es reichen. Wir können von der Jagd leben."
„Irrtum!" Rhodan schüttelte den Kopf. „Der Energiestrahl einer positronischen Impulspistole verbrennt und verdampft sofort jegliche Materie. Selbst von einem Saurier bleibt bei genügender Bestrahlung nicht viel übrig."
„Dann müssen wir eben darauf achten", sagte Marshall, „daß wir ihn nur töten und den Beschuß rechtzeitig einstellen. Außerdem habe ich ja, wie immer, meinen altmodischen Trommelrevolver dabei."
Er klopfte vielsagend auf seine Tasche. „Bully hat mich oft genug deswegen ausgelacht."
„Ich tue es auch", knurrte Rhodan. „Wollen Sie vielleicht mit dem Spielzeug einen Saurier umlegen?"
„Das weniger. Aber es gibt ja auch kleinere Tiere auf der Venus. Vielleicht sind die schmackhafter."
Okura lachte zufrieden. „Marshall hat nicht unrecht, Sir. Ich glaube schon, daß wir Fleisch finden. Vielleicht gibt es auch Früchte hier. Als ich damals meine Ausbildung erhielt, bekamen wir oft Obst. Ich erkenne es bestimmt wieder, wenn es irgendwo wächst. Meine Sorge gilt mehr dem Wasser. Wir können doch das Zeug aus den Sümpfen nicht trinken. Wer weiß, welche Bakterien sich darin aufhalten."
„Dagegen gibt es im Medizinschrank ein Mittel. Es ersetzt das Abkochen." Rhodan machte eine entsprechende Handbewegung. „Man schüttet das Pulver einfach in einen Kessel Wasser, und schon sind die Bakterien erledigt. Natürlich müssen wir noch filtern, um alle eventuell giftigen Verunreinigungen zu entfernen. Es ersetzt sogar das Destillieren, denn Abkochen können wir zur Not ja. Holz gibt es genug auf dem Grund des Waldes."
„Ja, naß und feucht. Wir werden damit nicht viel anfangen können."
Okura griff in den Vorratsschrank und hob ein Päckchen in die Höhe.
„Wer redet immerzu von Holz? Sehen Sie her, Marshall. Was ist das? Energieton! Hundertmal ausgiebiger als Trockenspiritus. Damit können wir uns drei Monate lang täglich drei Mahlzeiten bereiten. Fehlen nur die Saurierschnitzel."
Marshall verzog das Gesicht. „Ich habe noch nie Saurier gegessen", beklagte er sich.
„Dann wird es höchste Zeit", eröffnete ihm Rhodan und setzte sich wieder in seinen Liegesitz. „Packt alles ein, was uns von Nutzen sein könnte, und dann legt euch schlafen. Wer weiß, wann wir wieder Gelegenheit haben werden, in Ruhe zu schlafen."
Er schloß die Augen, und bald verkündeten regelmäßige Atemzüge, daß Perry Rhodan entschlossen war, seine Kräfte für das kommende Abenteuer zu sammeln. Ein Abenteuer, das ihn von einer Sekunde zur anderen aus einer Ära modernster Technik in die Urzeit zurückversetzt hatte.
*
Sie hingen in den dicken Ästen eines riesigen Baumes, mehr als fünfzig Meter über dem trügerischen Boden des Dschungels. Armdicke Schlingpflanzen erleichterten das Klettern.
Rhodan warf einen letzten Blick in die Geborgenheit der Kabine, die sie nun für immer verließen. Seiner Schätzung nach mußte die Arkonidenstation mit der Roboterbesatzung etwa 520 Kilometer westlich liegen. Eine Entfernung, die infolge der urweltlichen Fauna und Flora zu einem fast unüberwindlichen Hindernis wurde.
Er überprüfte den Sitz des
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