0023 . Geheimschaltung X
geflogen. Da sie in der Eile nicht an den Erkennungskode gedacht hatte, war ihr die Sperre des Positronengehirns in der Venusfestung zum Verhängnis geworden. Ähnlich erging es Rhodan, der nur an eine sofortige Verfolgung gedacht hatte.
Beide Schiffe scheiterten an der energetischen Flugabwehr der Festung, die im Umkreis von fünfhundert Kilometern wirksam war. Sie stürzten ab und befanden sich plötzlich in keiner besseren Lage als das russische Landungskorps. Thora geriet sofort in Tomisenkows Gefangenschaft, und Rhodan war es bisher nicht gelungen, sie zu befreien.
Vielmehr mußte er bei einem nächtlichen Gefecht einen Schulterschuß hinnehmen, der ihn vorübergehend kampfunfähig machte. Auch größere Märsche konnte er nicht ohne weiteres durchhalten. Und deshalb war nur der gehbehinderte Mutant Son Okura bei ihm geblieben. Marshall hatte einen Sonderauftrag erhalten. Einen Auftrag, der ihn ganz allein in die Wildnis geführt hatte, und der ihn verpflichtete, die Küste des Nordmeeres zu erreichen.
Er hielt den Schritt an. Seine körperliche Schwäche beschleunigte die Transpiration, und er mußte immer häufiger das Taschentuch zu Hilfe nehmen und den Schweiß von der Stirn wischen.
Hatte es noch einen Sinn?
Sehnsüchtig starrte er auf sein Allzweckarmband, das unter anderem ein leistungsfähiges Radio mit Sender enthielt. Doch Perry Rhodan hatte ausdrücklich verboten, Funkverkehr aufzunehmen, wenn die Gefahr bestand, abgehört und angepeilt zu werden. Der Sonderauftrag knüpfte ebenfalls an eine Begegnung an, die schon Jahre zurücklag.
An der Ostküste des dreihundertfünfzig Kilometer breiten Meeresarmes hatte Rhodans Mannschaft seinerzeit eine halbintelligente Robbenart entdeckt, die offenbar von recht zutraulicher Mentalität war.
Nachdem nun Rhodan an der Schulter verletzt worden war, schien der Marsch zur fünfhundert Kilometer entfernten Venusfestung in die Unendlichkeit gerückt zu sein. Denn wenn auch die Wunde schnell heilte, so war sie doch voraussichtlich auf Wochen hinaus ein entscheidendes Handikap für den Chef der Dritten Macht. Wer die Strapazen überstehen will, muß in jeder Hinsicht gesund sein.
Bei diesem Stand der Dinge war der Gedanke an die Robben der klügste Einfall gewesen. Wenn jemand helfen konnte, so waren sie es. Und wenn jemand mit ihnen Verbindung aufnehmen konnte, so war es der Telepath John Marshall, der um vierundneunzig Uhr die Küste erreichte.
Als er aus dem Dickicht des Waldes trat, hielt er verwundert den Schritt an. Der plötzliche Anblick des Meeres machte ihn mißtrauisch, denn sein Unterbewußtsein hatte ihm bereits suggeriert, daß er sein Ziel niemals erreichen würde. Dann aber begann er zu laufen. Der flache Strand war mit kniehohem Schilfgras bewachsen. Dahinter lag sauberer gelber Sand. Und dann kam das Wasser. Marshall hielt erst an, als es um seine Knöchel spülte.
Die Robben!
Er konzentrierte sich. Er legte die ganze Verzweiflung seiner Situation in seinen telepathischen Hilferuf. Nach zwei Minuten entspannte er sich. Sein Gehirn wurde passiv und ging auf Empfang.
Was auf ihn eindrang, war nicht weniger erschreckend. Die scheinbar tote Umgebung steckte in Wirklichkeit voller Leben. Es verbarg sich im Schilfgras und im Wasser. Und es hatte Gedanken. Nur völlig unmenschliche. Sie lagen weit unter dem verständlichen Intelligenzniveau. Sie waren eigentlich nichts anderes als reine Emotionen, Instinktreaktionen rein primitivtierischen Niveaus. Sie waren nicht klar wie eine mathematische Formel, sondern ließen eher Deutungen offen wie ein abstraktes Gemälde. Und trotzdem glaubte Marshall etwas Verständnisvolles daraus interpretieren zu können. Er mußte es sich zusammensuchen aus Gier, Neid, Hunger und Angriffslust. Es war das Seelenkonzert der niedrigsten Kreatur. Die Töne der höherentwickelten Robben aber fehlten vollkommen.
Enttäuscht wollte John Marshall die anstrengende Konzentration aufgeben, als plötzlich ein Alarmzeichen in seinem Gehirn ausgelöst wurde. Mit einemmal stand ein von Menschen geformter Gedanke in seinem Empfangsbereich. Es war ein tödlicher Gedanke vom Ufer her. Er wollte zurückspringen und davonlaufen. Doch rechtzeitig wurde er sich klar darüber, daß sein Leben jetzt nur von seiner Kaltblütigkeit abhing. Der Gedanke handelte vom Töten. Und diese Absicht war so klar entwickelt, daß sogar das Opfer John Marshall feststand.
Das ist der Spion der Dritten Macht, der Spitzel Rhodans. Du bist uns tagelang
Weitere Kostenlose Bücher