0024 - Der unheimliche Mönch
konnte.
Ich sah nach oben. Die alten Balken schienen wirklich mehr als morsch zu sein, aber um sie an der Außenseite abstürzen zu lassen, mußte man sie erst bewegen. Mir wurde klar, daß hier jemand nachgeholfen hatte.
Ich schritt über Staub, Holz und Gestein, näherte mich dem Teil der Kapelle, der noch im Dunkeln lag. Es war die Stelle hinter dem zerstörten Altar.
Und dort sah ich zweierlei.
Erstens eine Treppe, die unter das Dach führte, und zweitens eine uralte Steinfalltür. Der schwere, quadratische Stein war zur Seite geschoben worden. Dunkel gähnte mir der Einstieg entgegen.
Mich überfiel ein seltsames Gefühl, als ich in die Tiefe schaute. Dieser Gang lag so provozierend offen vor mir, daß ich die Falle förmlich riechen konnte.
Ich holte meine Kugelschreiberlampe hervor und knipste sie an.
Eine steile Steintreppe mit kantigen Stufen führte in eine mir unbekannte Tiefe. Dicke Spinnweben glitzerten auf, als der Lampenstrahl sie traf.
Trotz der Gefahr, die dort unten sicherlich lauerte, siegte meine Neugier. Ohne zu zögern, begann ich mit dem Abstieg.
***
Vorsichtig stieg ich die steilen Stufen hinab. Ein Geländer war nicht vorhanden. Außerdem war die Decke am Anfang sehr niedrig, so daß ich mich ducken mußte. Mit der linken Hand stützte ich mich an der rauhen Wand ab. Spinnweben strichen durch mein Gesicht, setzten sich auf den Lippen fest.
Ich blies sie weg.
Unter meinen Schuhen knackte und knirschte es. Kleinere Steine wurden durch mein Gewicht zu Staub. Es rieselte von der Decke. Wie feiner Puder legten sich die Partikel auf meine Haare und die Kleidung.
Die Treppe führte nicht direkt in die Tiefe, sondern beschrieb einen Bogen. Dort konnte ich endlich wieder aufrecht stehen, ohne mit dem Schädel gegen die rauhe Decke zu stoßen.
Der feine Lichtstrahl wies mir den Weg. Ich wurde unvorsichtig und ging schneller.
Prompt bröckelte morsches Gestein an der Stufenkante ab. Ich geriet ins Rutschen und wäre fast gefallen. Im letzten Moment konnte ich mich noch an der Wand fangen.
Ein Treppensturz hätte mir gerade noch gefehlt.
Die Luft wurde merklich schlechter. Ich kannte diesen muffigen, nach Moder, Verfall und Grab schmeckenden Geruch. Schon oft hatte ich ihn gerochen, aber daran gewöhnen würde ich mich nie.
Dann hatte ich das Ende der Treppe erreicht.
Schutt und Geröll versperrten den Weg.
Ich schaute mich um, ließ auch den Lampenstrahl über die rauhe und rissige Decke gleiten.
Sie wölbte sich eine Handbreit über meinem Kopf. Ich ließ den Strahl wandern und schaute nach, ob der vor mir liegende Gang völlig verschüttet und eingebrochen war.
Nein, ich hatte Glück.
Durch eine Lücke im Gestein konnte ich erkennen, daß der unterirdische Gang weiterführte. Doch erst einmal mußte ich Bagger spielen. Mit den Händen räumte ich Steine und Schutt zur Seite, wühlte eine schmale Gasse, durch die ich gehen konnte.
Der Staub reizte meine Kehle. Hüstelnd schaffte ich den Durchgang. Der Gang vor mir war sogar ziemlich breit und auch relativ lang, soweit ich es erkennen konnte. In gewissen Abständen wurde er durch bogenförmige Stürzen abgestützt.
Der Gang führte, soweit ich das beurteilen konnte, von der Kapelle weg. Er verlief unter dem Wald. Ich stellte mir die Grundrisse mittelalterlicher Burgen vor. In den meisten dieser Burgen und Schlösser und auch Kirchen gab es Geheimgänge, die irgendwo weiter entfernt ans Tageslicht stießen. Oft waren es auch Quergänge und verwinkelte Schächte, so daß sich der Ortsunkundige in solch einem unterirdischen Labyrinth verlaufen konnte.
Ich hoffte nur, daß dies nicht der Fall war.
Der Schimmel auf den Wänden ließ das Gestein grünlich weiß schimmern. Schritt für Schritt drang ich weiter vor in diese unbekannte Tiefe. Die Stille um mich herum war absolut. Wenn ich hin und wieder stehen blieb, um mich zu orientieren, hörte ich nur meinen eigenen Herzschlag. Überlaut kam er mir vor.
Der Gang nahm in der Höhe zu. Aufrecht ging ich weiter. Manchmal tauchten Nischen auf. In einigen hingen völlig verrostete Waffen. Alte Lanzen und Degen. Auch Hellebarden sah ich.
Ich spielte mit dem Gedanken, die eine oder andere Waffe mitzunehmen, doch dann verwarf ich den Plan wieder. Die schweren Dinger hätten mich nur behindert. Außerdem besaß ich noch meine Beretta.
Auf diese Pistole und auf das silberne Kreuz, das vor meiner Brust hing, setzte ich all meine Hoffnungen. Sollte der rote Mönch auftauchen, so hoffte ich,
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