0024 - Wir gruben ihm das Wasser ab
beantwortet sind. Ich mache Feierabend für heute.«
Miller streckte sich und gähnte.
»Das ist ein sehr vernünftiger Vorschlag«, brummte er.
Phil gab sich geschlagen.
»Man sollte euch beide zu Nachtwächtern machen«, stichelte er, während wir gemeinsam das Präsidium verließen.
Unten verabschiedeten wir uns von Miller.
»Was hast du vor?«, fragte Phil.
»Nach Hause fahren, mich umziehen und dann meinen Hauswirt mitsamt seiner reizenden Schwester zum Kino und anschließendem Abendbrot einladen.«
Phil kletterte schon in den Jaguar.
Ich setzte mich ans Steuer, dachte aber nicht daran zu starten.
»Was soll das?«, fragte ich ihn.
»Ich nehme deine ›Einladung zum Kino und anschließendem Abendbrot‹ gern an, mein lieber Jerry«, grinste er sein unverschämtestes Lächeln. »Aber setz mich bitte erst bei mir ab, damit ich mich auch umziehen kann. Du weißt ja, wie sehr die reizende Schwester deines lieben Hauswirtes ihre entzückenden Augen auf mich geworfen hat. Da muss ich natürlich gut in Schale sein.«
Ich gab es auf. Zischend brauste ich ab. Unterwegs sagte ich mit todtrauriger Miene: »Ich hatte mal einen Freund…«
Phil fragte teilnahmsvoll: »Und was ist aus ihm geworden?«
Ich knurrte.
»Er kam wegen unheilbaren Größenwahnsinns ins Irrenhaus.«
»Der arme Kerl«, sagte Phil ungerührt. »So etwas könnte mir nicht passieren.«
Tja, in diesem Stil spielen sich manchmal unsere Freundschaftsbeteuerungen ab. Und das ist gut so. Wir können uns ja nicht um den Hals fallen.
***
Um nicht wieder in einen blödsinnigen Detektivfilm zu geraten, hatte ich mir aus den Zeitungen die Kinoprogramme herausgeschnitten. Wir entschieden uns gemeinsam für den Streifen »Ein Americaner in Paris«, obwohl wir alle den Film vor Jahren schon gesehen hatten. Aber wir fanden übereinstimmend, dass es ein Film von der Art war, die man sich gut und gern zweimal ansehen kann. Und wir haben uns auch herrlich amüsiert. Beim Hineingehen deichselte ich es so, dass Phil neben meinen Hauswirt, ich aber neben dessen Schwesterlein zu sitzen kam.
Phil verzieh es mir den ganzen Abend nicht. Beim Abendbrot trat er mir zweimal rachsüchtig unter dem Tisch gegen das Schienbein, dass mir Hören und Sehen verging. Ich trat zurück.
Als ihn die Schwester meines Hauswirtes fragte, ob er Paprika nicht vertragen könnte, war er nahe daran, mit dem Tafelmesser auf mich loszugehen. Ich hatte aber meine Beine inzwischen in Sicherheit gebracht, und als er wieder einmal mein Schienbein sanft behandeln wollte, donnerte er mit aller Wucht gegen das stämmige Tischbein.
Das scharfe ungarische Zeug, das wir mit gutem Appetit gegessen hatten, war prima gewesen, hatte aber einen Nachteil, es erzeugte einen Durst, der ans Unbeschreibliche grenzte.
Wenn man Durst hat, soll man trinken.
Wenn man scharfe Sachen gegessen hat, soll man scharfe Sachen trinken. Das Scharfe hebt sich dann gewissermaßen gegenseitig auf. Jedenfalls kamen wir auf diesen reichlich an den Haaren herbeigezogenen Gedanken. Wir fuhren meinen Jaguar nach Hause und mit einem Taxi zurück in die Stadt. Da ein Streit ausbrach, welches Lokal wir aufsuchen sollten, losten wir der Reihe nach erst um die Stadtteile, dann um die Viertel, dann um die Straßen. Sie wissen ja, wie albern man sich anstellen kann, wenn man in ausgelassener Stimmung ist. Bei unserer Loserei kam denn auch etwas zustande, wir hätten danach in eine Straße gehen müssen, die ziemlich verrufen war, weil sie die Stammkneipen der meisten Unterweltler enthielt. Das erklärte ich und schlug eine andere Gegend vor. Aber die Schwester meines Hauswirts - sie hatte übrigens schon sechs Whisky pure getrunken - bestand darauf, dass wir uns an die Entscheidung hielten, die das Los gefällt hatte. Na, da wir drei kräftige Männer zu ihrem Schutz waren, war die Sache ja nicht so gefährlich und wir erfüllten ihr ihren Wunsch.
Es wurde prächtig. Wir saßen an einem wackeligen Tisch, hatten die dicken Gläser auf einer nackten Holzplatte und blinzelten durch die Rauchschwaden von billigen Zigarren und noch billigeren Zigaretten und fanden im Übrigen alles herrlich stilecht.
War’s ja auch. Sogar die Ganoven, die an den Tischen herumhockten oder an der Theke lehnten, waren echt.
Ich weiß nicht, wie lange wir in dieser Spelunke saßen jedenfalls waren wir schon bedenklich bei der Stimmung angekommen, wo man sogar einen wackeligen Tisch schon als Ursache für bodenlose Heiterkeit akzeptiert, als mir
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