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0025 - Der Satansdiener

0025 - Der Satansdiener

Titel: 0025 - Der Satansdiener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Stimmen fielen ein, monoton wie ein Echo: »Tod unseren Feinden! Tod! Tod…«
    Schöne Aussichten, dachte Bill Fleming sarkastisch.
    Offenbar war es nur seiner Schnelligkeit zu danken, dass er den Park hatte durchqueren können, ehe die Wächter zurückkamen. Bis zum Haus hatte er es geschafft. Mit dem Rückweg würde es zwar Schwierigkeiten geben – aber das sollte im Moment seine geringste Sorge sein. Er wartete, bis sich die Schritte der Ledermänner entfernt hatten, dann drehte er sich vorsichtig in dem engen Schacht um und probierte, ob sich das Fenster mit dem Fliegengitter nach innen drücken ließ.
    Es klappte beim dritten Versuch.
    Knirschend gab der Riegel nach, der Fensterflügel schwang auf.
    Sekundenlang schauderte Bill zurück vor der modrigen Grabesluft, die ihm entgegenwehte. Er unterdrückte einen Fluch. Vorsichtig schob er die Beine durch das Fenster, stieß sich ab und ließ sich kurz entschlossen in die gähnende Finsternis fallen.
    Er landete glatt auf einem nackten Steinfußboden.
    In den nächsten Minuten entdeckte er wieder einmal einen Punkt, in dem sein Freund Zamorra Recht hatte: Der Mensch tat wirklich gut daran, in allen Lebenslagen eine Taschenlampe bei sich zu haben. Da Bill diese Einsicht zu spät kam, blieb ihm nichts übrig, als mühsam die Wände abzutasten. Das war langwierig – und es war überdies auch nervenaufreibend, weil Bill sich in dieser totalen Finsternis alles andere als wohl fühlte.
    Nach einer knappen Minute fand er die Tür. Er ertastete Holzbohlen, Eisenbeschläge, einen Riegel, der sich mit einiger Mühe lösen ließ. Die Tür quietschte erbärmlich in den Angeln. Bill zog sie trotzdem auf, weil er keine Wahl hatte, wenn er weiterkommen wollte – aber er konnte nicht verhindern, dass ihm ein kalter Schauder über den Rücken rann.
    Ein kurzer, kahler Gang lag vor ihm. Eine Fackel, die in einem Wandhalter steckte, spendete flackerndes Licht. Bill ließ den Blick schweifen. Dass hinter der Tür auf der linken Seite Geronimo Morgues dämonische Kultstätte lag, konnte der Eindringling nicht ahnen – aber er glaubte sich zu erinnern, dass Nicoles Schrei von rechts gekommen war.
    Auch dort gab es eine Tür an der Stirnwand des Ganges.
    Sie war nur angelehnt. Zu Bills Erleichterung bewegte sie sich völlig lautlos in den Angeln. Ein quadratischer Treppenabsatz lag dahinter. Links führten die Stufen aufwärts, in die Halle des Hauses vermutlich – rechts ging es weiter nach unten in ein zweites, noch tiefer gelegenes Kellergeschoss.
    Bill Fleming entschied sich für die letzte Möglichkeit.
    Seine Kehle war trocken, als er die Treppe hinunterhuschte. Zwölf Stufen – dann versperrte erneut eine schwere Tür den Weg. Bill hatte inzwischen ein Stadium eiskalter Spannung erreicht, in dem er zielstrebig vorging und sich nicht mehr mit Zögern und Überlegen aufhielt. Er hob den massiven Riegel, öffnete die Tür, trat über die Schwelle – und blieb stehen, als sei er gegen eine unsichtbare Mauer gelaufen.
    Ein hallenartiges Gewölbe lag vor ihm.
    Er sah Nicole. Mit Ketten war sie an die gegenüberliegende Wand gefesselt. Nackt… Der Schlüssel für die breiten Metallschellen hing neben ihr an einem Nagel, doch er wirkte wie Hohn. Nicole konnte nicht nach ihm greifen, und für Bill war er ebenfalls unerreichbar – denn zwischen ihm und der jungen Frau wurde das Gewölbe zweimal von dicken Gitterstäben geteilt, und innerhalb dieses Käfigs bewegte sich lautlos und geschmeidig ein mächtiger Schatten.
    Bill fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
    Mechanisch sah er sich um, nahm Einzelheiten in sich auf. Ein Tiger! Ein echter sibirischer Tiger! Das gab es nicht, das war ein Albtraum, das konnte es nicht geben! Und doch war dieser drohende gestreifte Schatten da, kam näher, rieb sich an den klirrenden Gitterstäben, und sein leises, grollendes Fauchen beseitigte Bills letzten Zweifel.
    Er schluckte hart.
    Mühsam riss er sich zusammen und versuchte, vernünftig zu überlegen. Ein Tiger war schließlich eine reale Gefahr, war etwas, mit dem man irgendwie fertig werden konnte. Ob sein Besitzer ihn auf Menschen abgerichtet hatte? Bill glaubte es nicht. Die gestreifte Bestie war ohnehin Drohung genug, um jeden Eindringling abzuschrecken. Und wenn er sich irrte, wenn er tatsächlich einen der ganz wenigen echten Menschenfresser vor sich hatte, dann würde er es merken, sobald er das Tor in dem stabilen Gitter auch nur anfasste.
    Er biss die Zähne zusammen.

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