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0025 - Der Satansdiener

0025 - Der Satansdiener

Titel: 0025 - Der Satansdiener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Mit zwei Schritten überbrückte er die Entfernung zwischen der Tür und den Eisenstäben – und erst in dieser Sekunde schien Nicole ihn zu bemerken.
    Ihr Kopf flog hoch.
    Die schönen braunen Augen weiteten sich, wurden ganz hell, fast wie alter Whisky. Ihre Lippen zitterten.
    »Bill! Mein Gott, Bill!« Sie flüsterte nur, aber jedes Wort hallte von den hohen Wänden wider. »Ich wusste, dass Sie kommen würden, ich…«
    »Gibt es einen zweiten Zugang?«, unterbrach er sie heiser.
    Sie schüttelte den Kopf. Eben noch war Hoffnung in ihren Augen aufgekeimt, jetzt kam ihr wieder die Aussichtslosigkeit ihrer Lage zu Bewusstsein. »Sie müssen fliehen, Bill! Holen Sie Hilfe! Schnell!«
    »Nicht ohne dich, Mädchen«, murmelte er vor sich hin, während er endgültig an die Gittertür herantrat und nach dem Riegel tastete.
    »Nein, Bill!« Nicoles Stimme klang hoch vor Furcht. »Das dürfen Sie nicht! Der Tiger wird Sie zerreißen! Er ist wild, nicht gezähmt. Ich weiß es! Die Kerle haben es gesagt, sie…«
    »Ruhig«, murmelte Bill beschwörend. »Wenn das Tier wirklich noch wild ist, kann nicht viel passieren. Und jetzt kein Wort mehr! Wenn uns jemand hört, ist es aus!«
    Nicole presste die Lippen so hart aufeinander, dass sie weiß wurden.
    Bill lächelte ihr zu – dann hatte er keine Zeit mehr, sich um sie zu kümmern. Schweiß prickelte auf seiner Haut, als er den Riegel hob und die Tür aufzog. Sein Blick bohrte sich in die Lichter des Tigers.
    Das Tier hatte sich an die gegenüberliegende Gitterwand zurückgezogen, strich unruhig hin und her, und seine Schwanzspitze zuckte nervös, als mit einem leisen Klirren die Käfigtür zufiel.
    Bill Fleming verharrte einen Moment.
    Nervenkraft war alles, was er jetzt brauchte. Er hatte einmal einen professionellen Dompteur kennen gelernt, als er während seiner Studienzeit bei einer Zeitung arbeitete. Seitdem wusste er, wieso Menschen einen Tigerkäfig betreten konnten, ohne augenblicklich gefressen zu werden. Auch Raubtiere hatten ihre bestimmten, vorausberechenbaren Verhaltensweisen. Verhaltensweisen, die sie zum Beispiel dazu brachten, je nach Nähe des Feindes entweder zu fliehen oder anzugreifen. Fluchtdistanz und kritische Distanz nannten das die Fachleute, und Bill konnte sich auch dunkel daran erinnern, wie das in der Praxis aussah.
    Die Bogenpeitsche, die rechts von ihm an der Wand hing, kam ihm wie gerufen.
    Er glitt hinüber, griff danach. Der Tiger verfolgte seine Schritte vollkommen reglos. Er stand ausgerechnet, wo die zweite Gittertür aus dem Käfig zu Nicole führte, aber Bill war zumindest theoretisch klar, wie er ihn von dort vertreiben konnte.
    Theoretisch, dachte er bitter.
    Theorie war grau – und dies hier konnte leicht blutige Wirklichkeit werden. Er biss die Zähne zusammen, wog prüfend die Peitsche in der Hand. Zuerst wollte er ausholen, die Schnur durch die Luft sausen lassen – aber dann verzichtete er darauf, weil er nicht riskieren wollte, außer der Fluchtdistanz auch gleich noch die kritische Distanz zu unterschreiten und einen Angriff der Katze zu provozieren.
    Als er einen Bogen schlug und langsam auf den Tiger zuging, war sein Hemd so nass, dass man es hätte auswringen können.
    Er verfluchte den Umstand, dass er den Revolver im Hotelzimmer gelassen hatte. Verbissen ging er weiter, streckte die Hand mit dem kurzen Peitschenstil nach vorn und ließ die Schnur schleifen. Immer näher kam er dem Tiger. Die Nackenhaare des Tieres sträubten sich.
    Geduckt wich es gegen die Wand zurück, fauchte leise und die Schwanzspitze peitschte nervös.
    Bill spürte die jähe Spannung.
    In einem Anfall von Galgenhumor produzierte er ein verzerrtes Grinsen. »An mir verdirbst du dir den Magen, mein Junge«, flüsterte er, bevor er den nächsten Schritt machte.
    Der Tiger zuckte hoch.
    Mit einem geschmeidigen Sprung warf er sich zur Seite, hetzte in langen Sätzen durch den Käfig und verharrte in der entgegengesetzten Ecke des Raumes. Bill schluckte trocken. Fast ungläubig registrierte er, dass die Sache mit der Fluchtdistanz tatsächlich funktioniert hatte – und dass der Weg frei war.
    Er wischte sich den Schweiß aus den Augen.
    Zu Erleichterung bestand noch kein Anlass, das wusste er. Mit langsamen Bewegungen ging er zu der zweiten Gittertür, griff zwischen den Stäben hindurch, um von außen den Riegel zu lösen, und schob ihn Sekunden später wieder in seine Verankerung.
    »Bill!«, flüsterte Nicole. »Oh Bill, Bill…«
    »Nur keine

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