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0027 - Die Grotte der Gerippe

0027 - Die Grotte der Gerippe

Titel: 0027 - Die Grotte der Gerippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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muß in das Tal«, sagte er. »Und Tuxai muß mich führen – ob er nun will oder nicht. Versuchen Sie, ihn zu überzeugen, Señor Uvalde. Reden Sie ihm meinetwegen ein, daß die Pilger aus seinem Dorf in Gefahr sind.«
    »Aber er wird nicht…«
    »Er muß! Wenn er nicht dazu bereit ist, versuche ich es allein. Hier geht es nicht um das Schicksal eines einzelnen Menschen, hier geht es nicht einmal nur um die Huichol. Wenn an der Weissagung über die Rückkehr Tukákames auch nur ein Körnchen Wahrheit ist, bedeutet das unter Umständen eine Gefahr für die gesamte Menschheit.«
    Einen Moment lang starrte Christofero Uvalde den Professor an, als glaube er, sich verhört zu haben. Dann rieb er sich mit dem Handrücken über die Augen und nickte.
    In der nächsten Viertelstunde hielt er einen langen, leidenschaftlich erregten Vortrag in der Sprache der Huichol. Danach wandte er sich Zamorra zu, wischte sich den Schweiß von der Stirn und lächelte leicht.
    »Alles in Ordnung, Señor. Tuxai ist bereit, Sie ins heilige Tal zu führen. Jetzt muß ich nur noch Joaquin Sabinas dazu bringen, den Hubschrauber zu fliegen…«
    ***
    Früh am nächsten Morgen starteten sie.
    Nicole blieb unter der Obhut Christofero Uvaldes in Coalcomán zurück. Der Dorfälteste war so bleich, wie er es bei seiner dunklen Hautfarbe überhaupt nur sein konnte, als er in den Hubschrauber stieg. Die schrecklichen Ereignisse der Nacht, das unbekannte Beförderungsmittel, die Furcht vor dem, was vor ihnen liegen mochte – das alles wirkte zusammen und gab Tuxai das Aussehen eines Opferlamms, das freiwillig zur Schlachtbank geht. Auch der Pilot schien mit allen möglichen Befürchtungen zu kämpfen. Aber Joaquin Sabinas war Mestize mit starkem spanischem Einschlag, und die uralten religiösen Vorstellungen der Indios wurzelten nicht tief genug in seiner Psyche, um ihn wirklich in Panik geraten zu lassen.
    Mit dem Hubschrauber legte er binnen kurzer Zeit eine Strecke zurück, für die die Huichol-Pilger im beschwerlichen. Auf und Ab des Gebirges zwölf Tage brauchen.
    Das »Tal des Jaguars« war schon von weitem zu erkennen – an einem hochragenden Felsblock, in dessen Form man mit etwas Phantasie den Kopf einer großen Raubkatze sehen konnte. Sabinas drückte den Hubschrauber schräg über die Bergflanke, ging tiefer und setzte auf einer schmalen, aber tischflachen Ebene auf, die sich wie eine Straße durch die ganze Länge des Tals zog.
    »Die einzige Stelle weit und breit, wo ein Hubschrauber landen kann, ohne Bruch zu riskieren«, erläuterte der Pilot. »Sie werden noch ziemlich weit laufen müssen – ich kann es nicht ändern.«
    »Wir sind darauf vorbereitet«, sagte Zamorra trocken. »Ich möchte Sie lediglich bitten, in drei Tagen um dieselbe Zeit wieder hier zu warten. Ich bin leider kein sehr geübter Pilger.«
    Sabinas grinste matt. Er sah zu, wie seine Passagiere aus der Kanzel kletterten. Tuxai, der Dorfälteste, war ein wenig grün im Gesicht, weil er den Flug nicht vertragen hatte. Zamorra fühlte sich fit. Er warf sich den Packsack, der einen Teil der Ausrüstung enthielt, über die Schulter, führte Tuxai am Arm etwas beiseite und gab Joaquin Sabinas ein Zeichen, daß er wieder starten könne.
    Der Helikopter hob ab.
    Steil wurde er hochgezogen, beschrieb einen flachen Bogen und überquerte das Tal. Einen Moment lang hing er noch wie ein überdimensionales silbriges Insekt über der Bergflanke, dann kippte er ab und war Sekunden später aus dem Blickfeld der beiden Männer verschwunden.
    Zamorra und der alte Indio machten sich auf den Weg.
    Tuxai führte. Für den Professor sah die Landschaft immer wieder gleich aus: Steilhänge fielen in enge, zerklüftete Täler ab, andere Hänge türmten sich empor, um jenseits der Höhenzüge wieder abzufallen und erneut anzusteigen. Zweimal wurde das ständige. Auf und Ab von weiten Hochtälern unterbrochen, in denen das ohnehin schon mörderische Klima sich zur Atmosphäre eines Brutofens auswuchs. Zamorra kannte den Llano Estacado, die Mojave Desert, die Steinwüsten von Nevada, und dorthin fühlte er sich versetzt, während er mit ausgreifenden, gleichmäßigen Schritten hinter seinem Führer herging.
    Immer öfter sah sich der zähe alte Indio um. Etwas wie Bewunderung erschien in seinen schwarzen Augen – vermutlich hatte er erwartet, der Professor aus Frankreich werde nach spätestens zwei Stunden schlappmachen. Aber Zamorra machte nicht schlapp, obwohl Hitze und Anstrengung ihm zuerst

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