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0027 - Die Grotte der Gerippe

0027 - Die Grotte der Gerippe

Titel: 0027 - Die Grotte der Gerippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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ein.
    Ekel schüttelte ihn.
    Ekel, Entsetzen – und ein eiskalter, würgender Zorn, der das Blut in seinen Adern zu Eis verwandelte und ihn mit der entschlossenen Präzision einer Kampfmaschine handeln ließ.
    Drei Schritte – und er stand neben dem knöchernen Monster.
    In letzter Sekunde schien das Gerippe die Gefahr zu spüren. Es ließ von seinem Opfer ab, hob den nackten, blutbesudelten Schädel – aber da war es bereits zu spät, um der Kraft des Amuletts zu entrinnen.
    Zamorra packte zu.
    Mit beiden Fäusten packte er den gräßlichen Schädel, zerrte das Gerippe von dem unglücklichen Opfer hoch, drückte mit aller Kraft das Amulett gegen die Knochen der Stirnhöhle. Ein jaulender, sich überschlagender Schrei stieg in den Nachthimmel. Das grünliche Phosphoreszieren ließ nach, dafür schien der Schädelknochen dort wo ihn das Amulett getroffen hatte förmlich zu schmelzen. Unter schauerlichem Geheul bäumte das Skelett sich auf. Mit übermenschlicher Kraft riß es sich los, taumelte rückwärts und trommelte wie wahnsinnig mit den klappernden Knochenhänden gegen seinen Totenkopf. Wimmernde Laute quollen zwischen den Kiefern hervor.
    Zamorras Muskeln spannten sich, geduckt stand er da – aber es war nicht mehr nötig, ein zweitesmal anzugreifen.
    Das Skelett fiel auf die Knie.
    Immer noch schlug es sich gegen den Schädel, der langsam und unaufhaltsam von roter Glut aufgefressen wurde. Grell stachen die entsetzlichen Schreie durch die Stille. Und dann, auf dem Höhepunkt des qualvollen Todeskampfes, zuckten die Hände des Knochenmannes erneut hoch, und mit einem wilden Ruck riß er sich den eigenen Kopf von den Schultern.
    Einen Kopf, der immer noch schrie.
    Der immer noch alle Qualen der Hölle zu empfinden schien – und den das Skelett jetzt blindlings gegen die hochragenden Felsen schleuderte.
    Zerschmettert blieb der unheimliche Schädel liegen.
    Tausend Knochensplitter zerfielen binnen Sekunden zu Staub, und auch der Körper des Knöchernen begann sich in rasender Schnelligkeit aufzulösen.
    Einen Herzschlag später war nicht mehr die geringste Spur von der Erscheinung geblieben.
    Zamorra atmete schwer.
    Mechanisch legte er das Amulett wieder an, ließ es in den Ausschnitt seines Hemdes gleiten. Steifbeinig ging er zu dem toten Indio hinüber und ließ sich neben ihm in die Hocke sinken.
    Tuxais Blut versickerte im Staub der Sierra Madre.
    Geisterhaft bleich war seine faltige, an alte Baumrinde erinnernde Haut. Über die dunklen, glänzenden Augen hatte der Tod einen stumpfen Schleier geworfen, und in dem erstarrten Gesicht lag ein Ausdruck von Trauer, Resignation und tiefem, verborgenem Wissen.
    Zamorra fühlte sich leer und wie ausgebrannt, als er in mühseliger Arbeit Steine über den Leichnam häufte.
    Da die Huichol zumindest offiziell Christen waren, setzte er ein einfaches Holzkreuz, das er mit Draht zusammengebunden hatte.
    Danach berührte er jeden einzelnen von den Steinen mit dem silbernen Amulett. Tuxai, der Dorfälteste, hatte seine eigene Furcht überwunden und ihm geholfen, und er sollte wenigstens im Tode vor den Mächten der Finsternis Ruhe haben.
    Eine Viertelstunde später packte Zamorra das zusammen, was er an Ausrüstung unbedingt brauchte, löschte das Feuer und warf sich den Segeltuchsack über die Schulter.
    Er dachte an Bill.
    Sein Freund war in Gefahr. Und Zamorra war entschlossen, wenigstens den Versuch zu unternehmen, ihn zu finden und ihm zu helfen.
    Aber im Grund wußte er nur zu genau, daß er allein auf sich gestellt in dieser Einöde verloren war.
    ***
    Bill Fleming war entschlossen, alles auf eine Karte zu setzen.
    Der Puma-Dämon hatte seine Höhle verlassen. Auch von den Skeletten war nichts zu sehen. Nur noch die Schlangen bewachten die kleinere Nebengrotte, in der jetzt auch das Mädchen gefangengehalten wurde, daß die toten Azteken aus dem Huichol-Dorf entführt hatten.
    Bill spürte ein kaltes Prickeln im Nacken, als er die Pechfackel aus dem Felsspalt nahm, in dem er sie versteckt hatte.
    Er entzündete sie mit seinem Feuerzeug. Man hatte es ihm gelassen – genau wie die Schußwaffe, das Taschenmesser und alle persönlichen Besitztümer. Den Untoten und Dämonen die hier unten lebten, konnte er mit diesen Mitteln ohnehin nichts anhaben, nicht einmal mit Feuer, da sie einfach zu viele waren – und außerdem hatten sie ihn von Anfang an mit einer gewissen Ehrerbietung als Befreier behandelt, den die Vorsehung geschickt hatte.
    Vorsehung, dachte Bill

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