Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0027 - Die Grotte der Gerippe

0027 - Die Grotte der Gerippe

Titel: 0027 - Die Grotte der Gerippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
bitter.
    Jacahiro, dieser fanatische alte Teufelsdiener, hatte ihn in diese Falle gelockt. Er war es gewesen, der die Huichol überredet hatte, ihn auf ihrer Pilgerfahrt mitzunehmen, und flüchtig überlegte Bill, ob sein mexikanischer Bekannter, dem er das Treffen mit Jacahiro verdankte, wohl auch mit in diesem Komplott steckte.
    Nein, entschied er.
    Christofero Uvalde war ein Ehrenmann. Es sei denn, daß ihn, Bill Fleming, irgendwelche dämonischen Mächte schon in Mexico City so verwirrt hatten, daß seine Menschenkenntnis versagte.
    Er glaubte nicht daran. Und es war jetzt auch vollkommen unwichtig. Mit zusammengepreßten Lippen, die Fackel in der Faust, schlich er dicht an der Felswand entlang und näherte sich dem Eingang der kleinen Grotte.
    Züngelnd und zischend hoben die Schlangen ihre Köpfe.
    Sie richteten sich auf, wiegten ihre Leiber mit den seltsamen roten Schwingenpaaren wie beim Klang einer indischen Fakirflöte. Starre, böse Reptilienaugen blickten Bill an, und er spürte, wie seine Kehle trocken wurde.
    Schlangen fürchteten das Feuer.
    Und die meisten dämonischen Wesen ebenfalls.
    Aber wenn er sich irrte, wenn die unheimlichen Tiere ihn angriffen, ihn umbrachten, so wie sie Jacahiro umgebracht hatten…
    Er hörte auf zu denken.
    Entschlossen streckte er die Faust mit der Fackel vor, stieß nach den häßlichen Köpfen – und tatsächlich zuckten die Schlangen vor dem flackernden Feuer zurück.
    Sie glitten zur Seite.
    Blitzschnell huschten sie davon, verschwanden in Löchern und Felsspalten – und Bill konnte es kaum fassen, daß der Weg jetzt frei war.
    Seine Zunge klebte am Gaumen.
    Salziger Schweiß biß in seinen Augen, Furcht ließ sein Herz hämmern, doch er wußte, daß er sich jetzt zusammenreißen mußte.
    Die beiden Gefangenen hatten ihm atemlos zugesehen.
    Da er ihre Sprache nicht beherrschte, blieb ihm nichts übrig, als sich durch Zeichen zu verständigen. Das Mädchen mit dem hüftlangen schwarzen Haar, das angeblich schon jahrelang in ihrem engen Gefängnis lebte, reagierte nicht. Aber die junge Huichol, die die Grippe in der vergangenen Nacht geholt hatten, war voll zähem Lebenswillen, sprang sofort auf und riß auch ihre Leidensgenossin mit sich.
    »Wo wir sind?« flüsterte sie in ungelenkem Spanisch. »Ist das – die Hölle?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Bill rauh.
    »Du Americano?«
    Bill nickte. Entschlossen packte er die beiden Mädchen an den Ellenbogen und schob sie vor sich her. Die Jüngere wirkte immer noch teilnahmslos und apathisch, doch sie leistete keinen Widerstand. Die Ältere dagegen war sich ihrer gefährlichen Situation nur zu bewußt, sie zitterte, und sie drängte hastig dem Gang entgegen, den Bill ansteuerte.
    Der junge Historiker hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie aus der Höhle entkommen sollten.
    Er wußte nur, daß sie es versuchen mußten. Denn er hatte mitbekommen, wie der Goldene Puma erneut seine Diener ausgeschickt hatte, um ein weiteres Mädchen zu entführen, und er wußte auch, daß die drei Unglücklichen schon morgen dem grausamen Tukákame geopfert werden sollten.
    Die Finsternis des Gangs nahm sie auf. Nur der Widerschein der Fackel geisterte über die Wände und…
    Nur der Fackelschein?
    Bill blieb ruckartig stehen, kniff die Augen zusammen. Ganz deutlich glaubte er, einen grünlichen Schimmer zu sehen, und um sein Herz krampfte sich eine kalte Faust zusammen.
    Die Skelette!
    Sie waren da, schienen förmlich aus dem Nichts aufzutauchen. In einem grotesken Reigen tanzten sie vor ihm in dem dunklen Gang, und das Echo steigerte das höllische Gelächter zum schrecklichen Stakkato.
    Bills ganzer Körper hatte sich verkrampft.
    »Flieht!« flüsterte er auf Spanisch. »Versteckt euch irgendwo! Ich versuche sie aufzuhalten, ich…«
    Es war sinnlos.
    Und selbst wenn es einen Sinn gehabt hätte, wäre es zu spät gewesen. Jäh schlug das Gelächter der Gerippe in Wutgeschrei um. Wie Raubkatzen schnellten sie vorwärts, knochige Fäuste trafen Bills Körper, schlugen seine zur Deckung erhobenen Hände zur Seite, und es dauerte nur Sekunden, bis er unter dem Ansturm der Bestien zu Boden stürzte.
    Sie warfen sich über ihn.
    Zumindest einige von ihnen – die anderen schleppten die Mädchen fort, wie er an dem verzweifelten Hilfeschrei der jungen Huichol hörte. Bill spürte dürre Knochen über sich, hörte gieriges Keuchen, und als er den Kopf drehte, sah er zwei Reihen widerlicher gelber Zähne dicht vor seinen Augen.
    Aus, dachte

Weitere Kostenlose Bücher