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0028 - Insel der Seelenlosen

0028 - Insel der Seelenlosen

Titel: 0028 - Insel der Seelenlosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Tenkrat
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sagte Maeve. Ich straffte meinen Rücken.
    Maeve fuhr fort: »Aber die Schreie währten nur einen ganz kurzen Augenblick, dann verstummten sie. Mir war fast, als hätte ich mich geirrt, irgendwie bekam ich es mit der Angst zu tun.« Maeve lächelte verlegen. »Kein Wunder nach dem, was ich in der vergangenen Nacht erlebt habe, nicht wahr? Ich lief deshalb einfach weg von der Abtei und versuchte, mir einzureden, ich hätte mir die Mädchenschreie lediglich eingebildet.« Sie seufzte. »Doch nun, wo Sie mir von diesen beiden Mädchen erzählt haben…«
    »Wo ist diese Abtei?« fragte ich wie aus der Pistole geschossen.
    »Wenn Sie möchten, fahre ich Sie hin.«
    »Ich will Sie da nicht mit hineinziehen, Maeve.«
    »Mein Wagen steht dort drüben. Kommen Sie, John. Ich fahre Sie gern hin. Schließlich bin ich Ihnen noch einiges schuldig für gestern Nacht.«
    »Ich sagte Ihnen schon mal, daß ich das nicht hören will«, widersprach ich. Sie ging mit mir über die Straße. Ihr Wagen war ein 78er Mustang. So weiß wie ihr Kleid.
    Sie schloß die Tür auf. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz. Der kräftige Motor schnurrte wenig später, wir fuhren los.
    Die aufgelassene Abtei befand sich in einem kleinen Wäldchen. Ihr Gemäuer war grau, von Wind und Wetter zerfressen. Stürme hatten das Dach abgetragen und die Fenster eingedrückt. Der Weg zur Abtei wurde immer schlechter. Maeve fuhr so weit es ging.
    »Den Rest müssen wir zu Fuß gehen«, sagte sie und stieß den Wagenschlag auf.
    In den Bäumen zwitscherten Vögel. Der Wind spielte mit den Blättern und brachte sie zum Rauschen. Ein beruhigendes Geräusch.
    Die Abtei hingegen sah weniger beruhigend aus. Ihre glaslosen Fenster starrten uns wie die leeren Augenhöhlen eines Totenschädels entgegen. An zahlreichen Stellen war die Mauer, die den Innenhof einfriedete, eingestürzt, wies klaffende Schlitze und schattige Risse auf.
    Maeve ging vor mir. Obwohl ich ihr gesagt hatte, worum es bei dieser Sache ging, zeigte sie keine Furcht.
    Festen Schrittes strebte sie der alten Abtei entgegen, die meiner Ansicht nach mit einer fühlbaren Aura des Unheimlichen umgeben war. Wurden Jill Grabowski und Jane Collins hier festgehalten?
    Der Ort wäre bestens dafür geeignet gewesen. Die alten Gemäuer wurden wohl nicht allzu oft besucht, und es war bestimmt nur ein Zufall gewesen, daß Maeve Easton die Schreie der Mädchen vernommen hatte.
    Vor einer großen Maueröffnung blieb Maeve kurz stehen. Sie wandte sich zu mir um und blickte mich ernst an. »Ich hoffe, Sie können für die Mädchen noch etwas tun, John.«
    Ich nickte mit zusammengekniffenen Augen. »Ja, das hoffe ich auch, Maeve. Hören Sie, wenn Sie mir jetzt sagen, wo es weiter langgeht, setze ich lieber allein den Weg fort. Wir wissen nicht, was uns dort drinnen erwartet. Ich möchte nicht, daß Ihnen etwas zustößt. Sie sind jung und hübsch, Maeve…«
    Sie lächelte und deutete einen Knicks an. »Vielen Dank für das Kompliment.«
    »Nein, im Ernst, Maeve. Sie sind jung und hübsch – und ich möchte, daß Sie es bleiben.«
    Maeve Easton schüttelte hartnäckig den Kopf. »Sie werden mich nicht los, John, Geben Sie sich keine Mühe. Ich komme mit Ihnen. Auch wenn Sie es mir verbieten.«
    Ich seufzte. »Sie sind leichtsinnig.«
    »Ich habe keine Angst. Nicht, wenn Sie bei mir sind«, behauptete das Mädchen. Ich mußte sie wohl oder übel mit in die Abtei nehmen.
    Wir betraten den Innenhof, der von hohem Unkraut überwuchert war. Mir fiel sofort auf, daß hier alles anders war. Der Frieden. Die Stille. Tückisch und trügerisch. Gefahr! signalisierte mir mein sechster Sinn. Ich ließ meinen Blick aufmerksam schweifen.
    Maeve Easton wies auf düstere Arkaden. »Da lang«, flüsterte sie. Ich merkte, wie sie sich an mich drängelte, und hätte beinahe gegrinst. Aha, dachte ich, jetzt hat sie ihr Mut doch verlassen.
    Aber ich sagte ihr nicht noch einmal, daß ich allein weitergehen wollte, denn sie hätte ja doch bloß erneut behauptet, sie habe keine Angst. Ich nahm mir vor, auf sie aufzupassen wie auf meinen Augapfel, und ich konnte nur hoffen, daß das reichen würde.
    Wir tauchten in den Schatten der brüchigen Arkaden ein. Spinnweben strichen gespenstig über mein Gesicht. Sie waren klebrig und spannten sich unangenehm über die Haut.
    Ich wischte sie mit einer unwilligen Handbewegung fort. Maeve sagte kein Wort mehr. Ich hatte den Eindruck, sie wäre um eine Nuance blasser um die Nase geworden.
    Ihre Erregung

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