0028 - Insel der Seelenlosen
ließ die schönen Augen glänzen. Sie bedeutete mir, die schattigen Arkaden entlangzugehen. Ich wollte sie fragen, was sie um alles in der Welt hier zu suchen gehabt hatte, doch als ich dazu Luft holte, schüttelte sie nervös den Kopf und legte ihren Finger auf die zusammengepreßten Lippen.
Ich sollte schweigen.
Die düsteren Arkaden machten einen Knick. Erde und sandiges Gestein knirschten unter meinen Schuhen. Meine Sinne waren ganz auf Empfang eingestellt. Ich war in der Lage, das geringste Geräusch wahrzunehmen. Doch die einzigen Geräusche, die im Augenblick zu hören waren, wurden von Maeve und mir verursacht.
Das Mädchen legte mir plötzlich die Hand auf den Arm.
Ich schaute sie an. Sie grub ihre Zähne in die Oberlippe und wies auf eine fast schwarze Öffnung. Die Tür schien schon vor vielen Jahren abgenommen worden zu sein, denn die Angeln waren verrostet.
»Da hinein?« fragte ich Maeve leise.
Sie nickte, und als ich mich wieder in Bewegung setzte, blieb sie dicht neben mir.
Unsere Augen mußten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Ich hörte ein leises Rascheln, ein Fiepen, Ratten. Im selben Moment verlor ich den körperlichen Kontakt zu Maeve, Sie war vor Schreck und Ekel einen Schritt zurückgetreten.
Ich wollte mich zu dem Mädchen umwenden, da raste plötzlich etwas auf mich zu. Ich duckte mich, riß die Fäuste hoch, wollte einen brettharten Schlag abschießen, doch zu spät.
Ein harter Gegenstand traf mich voll am Kopf und raubte mir im selben Augenblick die Besinnung. Ich merkte noch, wie ich fiel. Dann gab es nichts mehr, was ich registrierte.
***
Der Raum war vollkommen leer. Kahle, graue Wände umgaben Jane Collins. Die Privatdetektivin hockte auf dem kalten Steinboden und starrte vor sich hin. Durch einen dünnen Luftschacht fiel fahles Licht.
Trostlos war es hier unten. Jane wußte nicht, wie lange sie hier schon gefangen gehalten wurde. Die Zeit floß zäh wie kalter Honig dahin. Ab und zu erschreckten Geräusche das Mädchen.
Jane erinnerte sich an das Abendessen mit John, und daran, daß er ans Telefon gerufen worden war. Kurz darauf hatte sie einen Mann auf sich zukommen gesehen, dessen stechender Blick sofort größtes Unbehagen in ihr hervorgerufen hatte.
Seine Augen hatten sie in ihren Bann geschlagen.
Jane hatte ihren Blick nicht von diesen Augen wenden können. Sie merkte, daß etwas mit ihr passierte, konnte dagegen jedoch nicht das geringste unternehmen. »Guten Abend, Miss Collins«, hatte der Fremde mit einer hohlen, unheimlichen Grabesstimme gesagt. »Ich heiße Roxano. Bitte kommen Sie mit mir…«
Das war alles, woran sich Jane erinnerte. Bestimmt hatte sie nicht mit Roxano gehen wollen, und doch war sie ihm gefolgt. Als sie wieder zu sich gekommen war, hatte sie sich in Aberystwyth befunden, ohne einen blassen Schimmer davon zu haben, auf welche Weise sie hierher gekommen war.
Sie riß sich von Roxano los und versteckte sich in einer Telefonzelle. Meine Nummer wählte sie vergeblich, doch bei Suko hatte sie Erfolg.
Dann entdeckte Roxano sie in der Telefonzelle, und wieder versetzte er sie mit seinen stechenden Augen in Trance. Erst in diesem Raum war sie wieder zu sich gekommen. Roxano hatte gegrinst und gesagt: »Hier können Sie nach Belieben schreien. Miss Collins. Kein Mensch wird Sie hören.«
»Was haben Sie mit mir vor?« Hatte die Privatdetektivin den unheimlichen Kerl gefragt.
»Das«, hatte er darauf höhnisch geantwortet, »werden Sie noch früh genug erfahren.«
Etwas kratzte und schabte. Diese Geräusche lenkten Janes Aufmerksamkeit auf sich. Es hörte sich an, als ob sich in oder hinter der gegenüberliegenden Wand ein Lebewesen bemerkbar machen wollte.
Jane glaubte, hinter dem Verputz ein rotes Leuchten erkennen zu können. Zwei Punkte waren es. Wie glühende Augen, schoß es Jane durch den Kopf. Das Leuchten verstärkte sich zusehends.
Jane Collins fiel auf, daß das Kratzen und Schaben immer lauter wurde, und plötzlich schob sich die häßliche Schnauze eines riesigen Nagetiers aus der Wand heraus.
Eine Ratte!
Jane Collins hielt unwillkürlich den Atem an. Das Biest war mindestens viermal so groß wie eine normale Ratte. Es hatte lange, gelbe Zähne und glühende Augen.
Das war keine gewöhnliche Ratte. In diesem Tier steckte die Kraft der Hölle. Jane sprang angewidert auf. Nun schob sich auch der Körper des großen Tieres aus der Wand.
Das Fell des Nagers war struppig und glänzte feucht. Der Leib war kräftig. Die Beine
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