0028 - Wir - in den Katakomben von Paris
und Paprika, tobte mit seinen mehr als zwei Zentnern russische Tänze auf die Dielen, daß das Schiff zitterte, und brach schließlich in einem Sessel zu jener abgrundtiefen slawischen Traurigkeit zusammen, die ihren Opfern Ströme von Tränen und leise wehmütige Lieder entlockt. Bower wurde mit jedem Schluck immer steifer, und schließlich wankte er so steif von Bord, daß man glaubte, man könne ihn über dem Knie zerbrechen. Leading, der Altertumsforscher, schien wenig vertragen zu können. Schon nach wenigen Gläsern beharrte er darauf, mich bei meiner Auswahl von Altertümern für mein Heim zu beraten, obwohl ich ihm heftig versicherte, ich hätte nicht den geringsten Bedarf.
Ghergieff schien von jedem Schluck immer giftiger zu werden, und Starp bewahrte bis zum Schluß die Haltung eines Gentlemans. Phil und ich bemühten uns sehr, es ihm gleichzutun, und ich hoffe, es gelang uns einigermaßen, aber als wir dann in die frische Luft kamen, merkten auch wir, daß wir wahrhaftig nicht wenig vertilgt hatten.
Während hinter uns auf der ›Serenite‹ die letzten Lichter verloschen, gingen wir zur ›Gundula‹, und dann zog ich Phil noch ein Stück weiter zu dem scharfen Schnabel der ›Y‹.
»Ein Boot mit Geheimnis«, sagte ich. »Ich möchte Interpol wahrhaftig gern fragen, ob wir auf diesem umständlichen Wege nach Paris kommen mußten, weil die ›Y‹ hier liegt, und ob es ein Zufall ist, daß unser Kahn genau zwischen der ›Serenite‹ und der ›Y‹ seinen Liegeplatz hat.«
»Frag sie doch!« antwortete Phil.
»Sie werden es uns schon sagen, wenn sie es für richtig halten, daß wir es erfahren.«
»Es brennt Licht hinter den Vorhängen«, sagte Phil ruhig.
Ich blickte schärfer hin. Er hatte recht. Ein schmales Lichtrechteck fiel vom Leitstand auf das Deck.
Ich lachte. »Das Geheimnis der ›Y‹ scheint mir einfach zu lösen. Man geht hin und öffnet die Tür, sanft oder mit Gewalt. Das wäre alles.«
»Vielleicht hat Teddy Doon das auch versucht«, antwortete Phil milde.
In diesem Augenblick ging das Licht hinter den Vorhängen aus.
»Huch«, sagte ich. »Jetzt ist das Gespenst von der ›Y‹ verschwunden.« Ich glaube, ich war doch ein wenig blau.
Wir gingen an Bord der ›Gundula‹ und legten uns in die Kojen. Als ich am anderen Morgen zwei Stunden später als gewöhnlich auf stand und nach draußen blickte, war die ›Y‹ von ihrem Ankerplatz verschwunden.
***
»Nein«, sagte Phil und köpfte das Ei, »es ist nicht erstaunlich, daß wir nichts gehört haben. Wir schliefen abgrundtief.«
Ich war ein wenig schlecht gelaunt. Auf irgendeine vertrackte Weise hatte sich in mir die Überzeugung festgefressen, daß wir mit dem schönen Rennboot in engerer Beziehung standen, als wir selbst wußten, und es ärgerte mich, daß die ›Y‹ verschwunden war und vielleicht erst nach Wochen oder Monaten zurückkehren würde.
Nach dem Frühstück gingen wir, um uns einen Wagen zu mieten. Wir fanden einen Citroën, auf dessen Chassis irgendein Spleeniger eine Sportkarosse eigenen Entwurfs aufmontiert hatte.
So sah der Wagen aus, als ob er hundertfünfzig Meilen machen könnte, brachte es aber höchstens auf hundert. Jedenfalls wirkte er ungeheuer schnittig und paßte zu unserem sonstigen Rahmen.
Phil blickte nach den langen Mietverhandlungen zur Uhr.
»Ich denke, wir könnten versuchen, jetzt Thompson zu erreichen.«
Wir suchten uns einen Fernsprecher, und ich wählte die Nummer, die unser Kollege uns aufgeschrieben hatte. Ich hörte den Ruf, aber niemand meldete sich.
»Er scheint nicht da zu sein.«
»Vielleicht zeichnet er wieder die Gesichter von Leuten für fünfhundert Franc. Wollen wir zum Montmartre hinauffahren?«
Ich steuerte den Citroën-Bastard durch den brausenden Verkehr über die Avenue des Champs-Elysées, die Avenue de Wagram und den Boulevard Clichy zum Place Pigalle. Von dort bogen wir ab in eine der zahllosen schmalen Straßen und Gassen, die den Berg hinauf zum Mittelpunkt des Viertels führen, dem Place du Tetre. Es waren wenig Fremde zu dieser Stunde oben. Der große Rummel des Fremdenverkehrs war noch nicht eröffnet. Auf den Caféhausstühlen saßen bärtige Burschen in Pullovern oder bunten Hemden. Ein paar Fleißige hatten ihre Staffeleien aufgebaut und pinselten an Touristenbildern der Sacré Coeur herum.
Wir bummelten die Gegend ab, ohne ein Haar von Thompsons blondem Bart zu sehen.
»Gehen wir zu seiner Wohnung«, schlug Phil vor.
Wir fanden den Weg in die
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