0028 - Wir - in den Katakomben von Paris
Rue Saint-Vincent wieder. Sie lag nur ein paar hundert Yard vom Platz entfernt. Keine Seele war in der Straße zu sehen. Wir gingen die Balustrade hinauf, die an den Hauseingängen entlangführte, und kamen zu dem Laden, der Thompson als Behausung diente. Alle Blechjalousien waren vorgehängt, so daß man keinen Blick in das Innere tun konnte.
»Sagte Allen nicht, daß er meistens auf das Anbringen der Jalousien verzichtet?« fragte ich Phil.
»Wer weiß, in welchem Ausmaß hier in der Nacht gefeiert worden ist?« antwortete Phil. »Vielleicht wäre es sogar den freien Bürgern von Montmartre zuviel gewesen, und Allan wollte sich vor neugierigen Blicken schützen.«
Ich untersuchte die Türjalousie. Auch sie konnte nur von außen angebracht werden.
»Es gefällt mir nicht«, brummelte ich vor mir hin. Ich warf einen raschen Blick die Straße entlang. Immer noch war niemand zu sehen, und die anstoßenden Häuser lagen so still, als wären sie unbewohnt.
»Gib mir deine Taschenlampe!« bat ich Phil, der gewöhnlich so ein Ding bei sich trug. Er gab sie mir und stellte sich dann, ohne daß ich es ihm hätte zu sagen brauchen, an den Rand der Balustrade und paßte auf, ob jemand in der Rue Saint-Vincent erschien.
Es bereitete keine Schwierigkeiten, das Jalousieblech der Tür anzuheben, den Kopf dazwischenzuschieben und die Taschenlampe anzuknipsen. Trotzdem sah ich nichts. Von innen waren auch die Vorhänge zugezogen, aber ich hörte ein leises Miauen. Allans Katze.
»Noch alles klar?« fragte ich Phil.
»Alles klar!« antwortete er.
Kurzentschlossen beschäftigte ich mich mit dem Schloß. Es gibt da ein paar Tricks, die ich Ihnen lieber nicht verrate, und so ein alter, vorsintflutlicher und dazu noch zu achtzig Prozent verrosteter Verschlußapparat wie in dieser Tür war eine Kleinigkeit. Es genügte ein wenig Kraft und ein wenig Geschicklichkeit. Ich drückte die Tür auf, schlüpfte in den Laden und zog die Tür hinter mir zu.
Ich wartete einen Augenblick, um zu lauschen. Etwas stieß weich gegen mein Hosenbein, und ich zuckte unwillkürlich zusammen und knipste die Taschenlampe an. Thompsons kleine, schwarze Katze rieb sich an meinem Hosenbein. Ich bückte mich und nahm sie auf. Sie miaute, und ich fand, daß es sich dankbar und erleichtert anhörte.
Langsam ließ ich den Schein der Taschenlampe durch den Raum wandern. Es schien sich nichts verändert zu haben. Vielleicht sah es noch ein wenig unaufgeräumter aus, aber das brauchte nichts zu bedeuten, denn hier sollte ja ein Fest gefeiert worden sein.
Ich ging vom Laden aus in die Hinterkammer, ließ den Lichtschein durch das Zimmer gleiten, und dann sah ich, daß von einem Fest keine Rede mehr sein konnte. Allan Thompson lag voll bekleidet quer über sein Bett gestreckt. Sein Augen waren weit geöffnet. Auf den ersten Blick war zu erkennen, daß er tot war.
Ich überlegte nicht lange. Mit schnellen Schritten ging zu zur Tür zurück und klopfte leise dagegen. Phil klopfte zurück, das Zeichen dafür, daß die Luft immer noch rein war.
»Komm!« sagte ich, als ich wieder im Freien stand. »Komm! Schnell!«
»Ja, aber…«, wollte er einwenden, aber ich zog ihn mit.
Erst als die Rue Saint-Vincent in unserem Rücken lag, sagte ich ihm, was ich gesehen hatte: »Thompson ist getötet worden!«
»Armer Junge!« Phil schüttelte den Kopf. »Scheint tatsächlich sehr nahe an die Bande herangekommen zu sein, ein wenig zu nahe offenbar.«
Ich mußte an die Geschichte von Teddy Doon denken, die Akam Ghergieff gestern nacht mit soviel bösem Genuß erzählt hatte. War Doon auch zu nahe herangewesen?
»Was machen wir?« fragte Phil.
»Ich denke, das ist ein Notfall. Wir rufen Interpol an.«
Wir gingen zum Wagen zurück, um aus dem Viertel zu kommen. Glauben Sie mir, erst als ich nach dem Steuerrad griff, merkte ich, daß ich die kleine Katze noch bei mit hatte. Sie hatte ihre Krallen in den Stoff meines Jacketts geschlagen und schien sich wohl zu fühlen.
»Sie ist herrenlos«, sagte ich. »Behalten wir sie.« Und ich warf sie mit einem weichen Schwung in den Fond.
Ein paar Minuten später stand ich in einer Telefonzelle an der Place Clichy und wählte die Nummer.
»Rendier & Co.«, meldete sich eine Stimme.
»Geben Sie mir die Verkaufsabteilung!« antwortete ich nach dem vereinbarten Text.
»Die Großhandelsverkaufsabteilung?« fragte die Stimme zurück.
»Nein, Detailverkauf!«
Der Text war genau vereinbart, und obwohl ich Englisch gesprochen hatte,
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