003 - Die schwarze Rose
Theorie waren die angriffslustigen, widerwärtigen Männer, die jetzt vor ihm standen und ihre unerfreulichen Wesenszüge vermutlich in der Hölle von Eton entwickelt hatten. Weil John nicht zu ihresgleichen gehörte, taten sie immer wieder ihr Bestes, um ihn zu demütigen. Zumindest versuchten sie das. Wegen seiner sorglosen, amüsierten Geisteshaltung trafen ihre Giftpfeile niemals ihr Ziel. An Lord Sextons breitem Rücken schienen alle Beleidigungen abzuprallen.
Zudem ärgerten sie sich über seinen Erfolg bei Frauen, um den sie ihn glühend beneideten. Natürlich verbargen sie ihre Abneigung hinter der höflichen Fassade der englischen Aristokratie.
Chloe wusste, worauf es diese Schurken anlegten. Mühsam bekämpfte sie ihren Zorn. Ihr Mann verdiente es nicht, verunglimpft zu werden. Um ihn zu ermutigen, ergriff sie seine Hand.
Bevor er antwortete, drückte er ihre Finger. „Schade, dass Sie nicht an der Hochzeit teilnehmen konnten, Snellsdon. Die halbe Londoner Gesellschaft war dabei."
Sehr gut, John, lobte Chloe in Gedanken. Nun würde sich der hochnäsige Lord sicher ärgern, weil er das Ereignis versäumt hatte.
„Anscheinend hatten Sie's ziemlich eilig. Alle Leute waren schockiert." Vielsagend starrte Snellsdon auf Chloes Taille-Mit dieser dreisten Bemerkung traf er Johns wunden Punkt. Er selbst sah über alberne Beleidigungen hinweg. Aber einen Angriff gegen seine Frau würde er nicht dulden. Als er einen Schritt vortrat, hielt sie ihn zurück.
Liebenswürdig lächelte sie die Herren an. „Unser Entschluss erschien vielleicht etwas überstürzt. Aber John und ich hatten unsere Heirat schon vor Jahren geplant, und erwartete nur, bis ich erwachsen war. Nicht wahr, John?"
„In der Tat", stimmte er zu und musterte sie nachdenklich.
„Ist das nicht romantisch?" Adrien de Cyndreac gesellte sich hinzu und klopfte John auf den Rücken. „Kaum zu glauben, dass er kein Franzose ist ..." Herausfordernd wandte er sich zu den vier Freunden und erwartete eine sofortige Antwort -
insbesondere weil er ihnen, was seinen Adelsrang betraf, überlegen war.
0 ja, das sei sehr romantisch, bestätigten sie prompt.
Verstohlen zwinkerte er Chloe zu, und sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
Aber Lord Snellsdon gab sich nicht so leicht geschlagen. „Nun, Sexton, haben Sie einen hohen Einsatz bei diesen Rennen gewagt?"
John wettete nie. Höchstens im Scherz. Das wusste die gesamte Londoner Gesellschaft, und man wunderte sich oft über seine Zurückhaltung, wo er doch in anderer Hinsicht auf kein Vergnügen verzichtete. Nur Chloe kannte die Wahrheit.
Nachdem die Spielsucht seines Vaters die Familie in den Ruin getrieben hatte, rührte er keine Karten an, und bei Pferderennen ging er niemals auch nur das geringste Risiko ein. In dieser Überzeugung fühlte er sich noch bestärkt, seit er für den Landsitz Chacun à Son Goût verantwortlich War.
„Nein, ich wette nicht", erwiderte er kurz angebunden.
„Weil Sie zu feige sind?" höhnte Lord Snellsdon. Ebenso wie seine Kumpane prahlte er oft und gern mit seiner Kühnheit am Spieltisch oder an der Rennbahn, was John schon immer lächerlich gefunden hatte.
Mit schmalen Augen erwiderte er den spöttischen Blick seines Widersachers. „Ich habe es nicht nötig, meine Männlichkeit auf solche Art zu beweisen."
Von dieser kaum verhohlenen Beleidigung tief getroffen, wurde Lord Snellsdon feuerrot. Wie jedermann wusste, hatte er kein Glück bei den Frauen. „Wenn Sie uns jetzt entschuldigen würden, Lord Sexton ... Da drüben sehe ich den Marquis of Langton, und ich muss ihn sprechen."
John nickte wortlos, und die vier Männer entfernten sich.
„Wolltest du nicht mitkommen, um solche Begegnungen zu vermeiden, John?"
fragte Chloe zerknirscht. „Tut mir Leid, dass ich dich dazu überredet habe."
Lächelnd küsste er ihre Nasenspitze. „Nein, meine Süße. Damit hatte es nichts zu tun. Es missfällt mir nur, wie die Pferde behandelt werden."
„Was meinst du?"
„Man gibt ihnen starke Abführmittel und lässt sie in überheizten Ställen schwitzen.
Nur bei den Rennen dürfen sie frische Luft atmen. Manchmal frage ich mich, wie sie sich überhaupt noch zur Rennbahn schleppen können."
Chloe wurde blass. „Das wusste ich nicht."
„Von solchen Methoden halte ich nichts."
„Ganz meine Meinung."
Erstaunt wandten sie sich zu einem Araber, der von Kopf bis Fuß in wehende Roben gehüllt war. Sein Gesicht war bis auf die Augen verhüllt. Neben ihm stand das
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