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0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

Titel: 0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Morgen meiner Hinrichtung
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hinaus. Nachdem ich vorher immer eine ganze Serie losgelassen hatte, mußte sie das auf den richtigen Gedanken bringen.
    Ich wartete mindestens zwei Minuten, bis ich den nächsten Schuß abfeuerte. Danach drei Minuten bis zum dritten. Eine etwas kürzere Pause bis zum vierten.
    Sie hatten gemerkt, wo bei mir der Hammer hing.
    »Bandito, gib auf! Du nicht mehr viel Munition! Gib auf, bevor Handgranaten kommen!«
    Ich schwieg. Ich schoß nicht, und ich brüllte auch keine Antwort. Das würde sie in ihrer Absicht bestärken.
    Wieder fing der perfekte Engländer an, mir zuzureden. Ich hörte aufmerksam zu, während ich die beiden letzten Kugeln wütend hintereinander hinausjagte. Einen Augenblick lang ballerten sie wieder auf meine Deckung, dann wurde ihr Feuer wieder eingestellt, und die Brüllerei ging wieder los. Als er auf meine Antwort wartete, war Totenstille.
    Ich hielt die Waffe an meinen Schießspalt und drückte ab. Man hörte deutlich das metallische Kläcken, als der Hahn anschlug und keine Patrone mehr vorfand.
    Das Schweigen wurde draußen von einem jubelnden Schrei unterbrochen, den ich allerdings nicht verstehen konnte. Danach lauschten sie wieder gespannt. Ich drückte dreimal hintereinander ab. Jedesmal war dasselbe helle, metallische Geräusch vom Abdrücken einer leergeschossenen Waffe zu vernehmen.
    Jetzt mußten sie wissen, daß ich keine Munition mehr hatte. Ich nahm ein weißes Taschentuch heraus und band es an den Lauf einer Tommy Gun. Vorsichtig schob ich den Lauf über die Deckung hinaus.
    Sie brüllten wie die Verrückten, als sie das Zeichen meiner Kapitulation sahen. Aber eine herrische, kommandogewöhnte Stimme ließ sie sofort verstummen.
    Ich hörte, wie der Kommandierende etwas in Spanisch rief. Der andere übersetzte: »Bandito! Du Steine vor Höhle weg! Du Arme weit hoch! Herauskommen! Wenn du noch Waffe bei dich, wir dich schießen, Bandito! Capito?«
    Ich zögerte absichtlich einen Augenblick, dann rief ich mit gewollt ängstlicher Stimme: »Ja, ja, ich habe verstanden! Nicht schießen! Nicht, schießen! Ich ergebe mich!«
    Ich schloß eine Sekunde lang die Augen. Lieber Gott im Himmel, wenn nur ein einziger von den Brüdern schwache Nerven hat und aus Versehen losknallt, weil er vielleicht einen schimmernden Anzugknopf für die Mündung einer Pistole hält, dann kannst du deinen lieben Jerry in Venezuela beerdigen lassen. Das wirst du doch sicher nicht wollen. Was sollen meine Freunde in New York sagen, wenn ich ihnen nicht einmal den Spaß der Teilnahme an meiner Beerdigung gönne? Laß sie alle recht ruhig sein, lieber Himmel. Ich will ja auch die Arme in den Himmel stecken, als wollte ich den Wolken die Fußsohlen kitzeln.
    Ich holte noch einmal tief Luft, dann stieß ich die Steine vor meiner Höhle weg und kletterte hinaus. Draußen richtete ich mich langsam auf. Meine Arme ragten in den Himmel.
    Alles blieb ruhig. Ich konnte nirgendwo auch nur den Zipfel eines Polizisten sehen.
    »Bandito! Dreh um!«
    Okay, auch das. Ich tu ja alles, was ihr wollt, liebe Kollegen. Aber seid so anständig und knallt nicht einem Wehrlosen eine Kugel in den Rücken.
    Ich hörte wieder hinter meinem Rücken die befehlsgewohnte Kommandostimme, das Scharren von Stiefeln und Rufe von einigen Männern. Vor mir sah ich den geäderten Stein des Felsens aufsteigen, der mich in seiner Höhe so gut geschützt hatte.
    Vor der Höhle war vielleicht eine freie Fläche von annähernd zwanzig Meter im Geviert, bevor die Wand steil abfiel. Als ich mich wieder umdrehen durfte, starrte ich in mindestens ein Dutzend braune Gesichter, die mich neugierig musterten. Sie waren alle uniformiert und teils mit Karabinern, teils mit schweren sechsschüssigen Trommelrevolvern bewaffnet.
    Einer von ihnen, ein junger schlanker Bursche mit intelligenten Gesichtszügen und sehniger Gestalt, schien ihr Boß zu sein. Jedenfalls war auf seiner Uniform ein Stern am Kragen, bei den anderen nicht. Er trat auf mich zu. Er war so furchtlos, daß er seine Pistole vorher in die Koppeltasche steckte. Mit gewandten Griffen tastete er mich ab.
    Indessen hatten einige Polizisten auch schon meine leergeschossenen Waffen aus der Höhle herausgeholt. Staunend brachten zwei Mann gehäufte Hände voller leerer Geschoßhülsen heraus. Wenn ich mir den Berg so nachträglich betrachtete, mußte ich mich selbst wundern, daß ich das alles in die Gegend gejagt hatte. In New York hätte ich mit diesem Munitionsaufwand drei bis vier Wochen auskommen

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