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0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

Titel: 0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Morgen meiner Hinrichtung
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hageres, etwas scharfes Gesicht stand bleich über dem schwarzen Talar.
    Weiter rechts von ihm saßen die Geschworenen. Biedere, brave Gesichter musterten mich mit unverhohlener Neugierde.
    Auf meiner Seite des Saales saßen weiter rechts an einem besonderen Tisch die Pressevertreter. Ich musterte sie mit einem gleichgültigen Blick. Es waren die üblichen Reporterfiguren:
    Das einzige, was an ihnen bemerkenswert erschien, waren ihre wertvollen Kameras. Nur einer unter den Zeitungsschreibern fiel mir auf: Er hatte eine schlanke, sportlich trainiert wirkende Figur und trug einen sauberen gepflegten Backenbart. Als ich zu ihn hinblickte, nutzte er sofort die günstige Gelegenheit und schoß mit Blitzlicht eine Aufnahme von mir. Ich grinste ihm ins Objektiv.
    In der rechten Hälfte des Saales saß das Publikum. Frauen, Männer, Halbwüchsige, ja sogar ein paar Kinder waren gekommen, um sich den dreisten Bankräuber zu betrachten. Unter ihnen entdeckte ich das blasse schöne Gesicht von Miß Elangez. Sie wich meinem Blick geflissentlich aus, aber eine glühende‘Röte huschte im gleichen Augenblick über ihr Gesicht, als sie fühlte, daß ich sie ansah.
    Nun, die Sache ging los, wie jeder Prozeß in jedem Rechtsstaat der Welt losgeht. Der Vorsitzende eröffnete die Verhandlung mit leidenschaftslosen Worten.
    Natürlich hatte man inzwischen meine Angaben überprüft. Jetzt bezweifelte niemand mehr, daß ich Mitglied der nordamerikanischen Bundeskriminalpolizei war. Im Gegenteil, der Richter erwähnte kopfschüttelnd, daß eine Bestätigung meiner Vorgesetzten Dienststelle aus New York eingegangen wäre.
    Als man lang und breit klargemacht hatte, wer und was ich sei, ließ man zunächst durch drei Bankangestellte einwandfrei ermitteln, daß ich tatsächlich einer der beiden Männer war; die die Bank überfallen hatten. Es wäre unnötig gewesen, denn ich hatte das nie bestritten. Aber die Maschine der Gerichtsbürokratie ist nicht aufzuhalten, wenn sie sich erst einmal in Bewegung gesetzt hat.
    Dann wurde ich zur Sache vernommen.
    »Angeklagter, treten Sie vor!«
    Ich tat ihnen den Gefallen und stellte mich in der Mitte des Saales vor den Richtertisch.
    »Sie haben die Filiale der Banco Nacional mit Hilfe eines Komplizen überfallen. Geben Sie das zu?«
    »Ja, natürlich.«
    »Sie stehen unter der schweren Anklage nicht nur des bewaffneten Überfalls, sondern auch des Mordes. Angeklagter, Sie können Ihre Lage wesentlich erleichtern, wenn Sie ein reumütiges Geständnis ablegen und das Versteck Ihrer Beute bekanntgeben!«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Das Versteck des Geldes kenne ich nicht.«
    »Aber es ist doch beobachtet worden, daß Sie die Taschen mit dem Geld an sich nahmen!«
    »Stimmt. Das habe ich ja auch nicht bestritten.«
    »Was haben Sie mit den Taschen getan?«
    »Ich habe sie hergegeben.«
    »Wem haben Sie sie gegeben? Ihrem Komplizen?«
    »Nein.«
    »Wem sonst?«
    »Das möchte ich lieber nicht sagen, denn man würde es mir doch nicht glauben.«
    »Sagen Sie es nur!«
    »Nein, nein, lieber nicht.«
    »Angeklagter, Sie verwirken Ihre letzten Chancen, ein mildes Urteil erwarten zu können!«
    »Ich will ja gar kein mildes Urteil. Ich will nach den Gesetzen dieses Landes bestraft werden. Ohne Milde. Ich bin gar nicht für Milde.«
    Im Zuschauerraum lachten sie. Die Presseleute schrieben sich die Finger wund. Der Richter war restlos aus dem Konzept gebracht. So etwas hatte er anscheinend noch nicht erlebt.
    Nach einer Weile beschloß er, die Sache von einer anderen Seite her anzupacken.
    »Angeklagter, wie kommen Sie als geachtetes Mitglied der berühmten Bundeskriminalpolizei der Vereinigten Staaten dazu, plötzlich zum Verbrecher zu werden? Das ist doch etwas ganz Unverständliches! Ihre Vorgesetzte Dienststelle hat Ihnen das beste Zeugnis ausgestellt. Wie kamen Sie denn auf einmal auf den Gedanken, eine Bank auszurauben?«
    »Wenn ich ganz ehrlich sein soll, Herr Vorsitzender, ich fand die Sache so interessant und so ungewöhnlich, daß ich sie deshalb durchführte.«
    Kaum war das übersetzt worden, da gab es wieder ein Gelächter im Publikum. Diesmal schwang der Vorsitzende ärgerlich die Glocke.
    So ging das ein paar Stunden lang.
    Der Capitan wurde gehört, dem ich mich in den Bergen ergeben hatte. In der Verhandlung erfuhr ich auch zum erstenmal, wieviel Geld wir überhaupt erwischt hatten: Es war die schöne Summe von 82 476 Bolivar und 80 Céntimo.
    Der Vorsitzende gab sich wirklich alle erdenkliche

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