0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung
das eine weiß ich: Man darf es nicht mit den Aufsehern verderben. Die haben in jedem Fall den längeren Arm.
Meine einzige Hoffnung, die ich noch hatte, erfüllte sich: Ich kam in eine Einzelzelle. Die Tür schlug schwer hinter mir zu. Ich hörte das Geräusch des klobigen Riegels, der vorgeschoben wurde. Dann herrschte Stille um mich.
Tja, da war ich also. Ich, der G-man Jerry Cotton, saß in einer Gefängniszelle in Caracas in Venezuela. Angeklagt des Banküberfalls und nun wohl auch noch des Mordes. Feine Sache.
Ich warf mich auf die Pritsche, die weicher war als das Elendsquartier, auf dem Phil und ich die erste Nacht in Caracas zugebracht hatten.
Durch das hohe Fenster schimmerte der Schein des frühen Mondes. Ich sah lange hinaus. Es war die einzige Möglichkeit, nicht auf blödsinnige Gedanken zu kommen.
Dann wurde es draußen dünkel. Ich vermißte meine Zigaretten sehr. Aber da ich sie nun mal nicht hatte und auch keine Aussicht besaß, sie zu kriegen, hatte es keinen Sinh, sich stundenlang darüber zu ärgern. Ich versuchte an etwas anderes zu denken und schlief schließlich ein.
Am nächsten Morgen fing der Tagesbetrieb des Gefängnisses auch für mich an. Ich lernte zu einer idiotischen Zeit aufzustehen und beide Wolldecken nach einer bestimmten Regel zusammenzufalten und an das Fußende des Bettes zu legen. Ich lernte, mit einem total abgenutzten Besen meine Zelle zu säubern. Ich lernte nach anfänglicher Überwindung sogar das elende Zeug zu essen, das man hier als Mahlzeit servierte. Vielleicht war das Essen gar nicht so schlecht, wenn es wenigstens auf eine saubere Art serviert worden wäre. Aber an der Blechschüssel, die man mir auf den kleinen Tisch in meiner Zelle knallte, saßen noch die hart gewordenen Reste der letzten Mahlzeit. Außerdem roch der ganze Pott säuerlich nach abgestandenem Spülwasser.
Aber ich will Ihnen nicht den Appetit verderben.
Sie probierten jede Tour mit mir. Sie waren sanft wie Samthandschuhe. Sie gaben mir Zigaretten und sogar einmal sehr viel Whisky. Ich trank aber nur drei Gläschen, um nicht die Kontrolle über mein Bewußtsein zu verlieren. Sie fielen auch manchmal ohne alle Überleitung in die harte Tour. Sie versuchten es mit jedem Dreh und mit jeder Masche.
Ich gab ihnen nicht den leisesten Tip.
Nach neun Tagen erhielt .ich die Anklageschrift. Wie das bei den Herren Staatsanwälten so üblich ist, machten sie aus einer Sache gleich zwei Dutzend. Die Anklageschrift zählte insgesamt zweiundzwanzig Dinge auf, die ich begangen hatte. Jedes einzelne stimmte, dagegen war nichts zu machen. Nur waren es eben alles Bruchteile der wirklichen Tat: des Banküberfalls.
Sie vergaßen nicht einmal zu erwähnen, daß ich auf der Flucht ständig die innerhalb der Stadt vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit für Autos übertreten hatte.
Ich las die vierundvierzig Seiten starke Anklageschrift mit gemischten Gefühlen. Sie waren aber — das muß ich anerkennen — so nett gewesen, mir die Anklageschrift in amerikanischer Übersetzung zugehen zu lassen.
Von dem Tage an, an dem ich die Anklageschrift erhalten hatte, wurden die Verhöre erträglicher. Es dauerte noch sechs Tage, dann sagte man mir, daß übermorgen der Prozeß stattfinden würde.
Ich zuckte die Achseln.
Natürlich hatten sie mir ein halbes Dutzend Pflichtverteidiger zur Auswahl nacheinander in die Zelle geschickt. Ich hatte jeden einzelnen abgelehnt.
Ich sagte dem Bevollmächtigten, das wäre ja genau meine Absicht. Ich wolle mich selbst verteidigen und verzichte auf einen Anwalt. Er ließ es sich achselzuckend sagen und verschwand.
Nun, auch diese beiden Tage vergingen. Und dann war es soweit.
***
Gleich, als ich den Saal betrat (flankiert von zwei uniformierten Polizisten), sah ich, daß man alles sehr gut vorbereitet hatte. Und ich wußte in dieser Sekunde auch schon, wie der Prozeß ausgehen würde und welches Urteil ich zu erwarten hatte.
Der Raum in dem die Verhandlung stattfand, war etwa acht Meter hoch und vierzig mal zwanzig Meter im Geviert. An der Stirnseite war ein großes Kruzifix an der Wand befestigt, und darunter hing eine Statue der Justitia, der Göttin der Gerechtigkeit. In der einen Hand hielt sie die Waage, in der sie Gut und Böse unparteiisch abwiegt, in der anderen das Schwert, mit dem sie den Bösewicht strafen sollte. Zum Zeichen der Objektivität waren ihr die Augen verbunden.
Mir genau gegenüber hatte der Generalstaatsanwalt von Venezuela Platz genommen. Sein
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