0032 - Der Schädeljäger
nach den Beinen des Mädchens.
Sie ließ ihn los.
Er konnte auch diese Wendung nicht verstehen. Er hatte nicht mehr damit gerechnet, noch einmal von diesem schrecklichen Zombie loszukommen.
Und nun war er frei.
Sein Herz raste.
Er japste gierig nach Luft. Dann wirbelte er heulend herum und raste aus dem Zimmer seiner Nichte. Er jagte die Stufen hinunter, so schnell, wie er seit vielen Jahren nicht mehr gelaufen war.
Schreiend fegte er aus dem Haus.
Sein Gesicht war käsebleich.
Schweiß bedeckte die zuckenden Wangen. Er hatte nicht den Mut, sich umzusehen.
Sein fiebernder Blick fiel auf einen Spaten. Sofort stürzte er sich darauf. Er bewaffnete sich damit.
Atemlos blieb er stehen.
Er vermochte nicht mehr weiterzurennen. Er war mit seinen Kräften am Ende.
Er hustete bellend. Schreckliche Schmerzen quälten ihn im Hals.
Aber er lebte noch. Gott sei Dank! Er lebte noch.
Mit vibrierenden Nerven schaute er auf den Hauseingang.
Dort oben war Mia über ihn hergefallen. Kein Zweifel. Es war Mia gewesen. Er kannte ihren schlanken Körper. Sie hatte oft Bikinis oder Tangas getragen, wenn es heiß gewesen war.
Dort oben war Mia.
Ohne Kopf.
Er fragte sich nicht, wieso sie ohne Kopf leben konnte, wieso sie sich ohne Kopf auf ihn hatte stürzen können.
Er nahm es einfach als gegeben hin, daß sie ohne Kopf nach Hause gekommen war und ihn umzubringen versucht hatte.
Was war das bloß für ein gräßlicher Spuk?
Plötzlich vernahm er oben ein kurzes Poltern.
Sein Kopf flog hoch.
Dort oben war Mia. Nackt stand sie auf dem Fensterbrett.
Das Sonnenlicht machte ihren Körper zu einem milchweißen Gebilde…
Schon schnellte sie sich vom Fensterbrett ab. Sie flog direkt auf Norman Shagger herunter.
Er hatte nicht einmal die Kraft, den Spaten schnell genug hochzureißen.
Da prallte ihr eiskalter, enthaupteter Körper bereits auf ihn.
Ihr Gewicht riß ihn zu Boden.
Er brüllte entsetzt auf, wollte sich unter ihrem Körper hervorwinden, wollte mit dem Spaten nach ihm dreschen.
Nach dem ersten Versuch gelang ihm das auch. Er kam brüllend auf die Beine.
Er schlug mit dem Spaten immer wieder auf den nackten Mädchenkörper ein.
Das scharfe Spatenblatt sauste tief in die lebende Leiche hinein.
Aber etwas, was tot ist, kann man nicht mehr töten.
Mia griff ihn mit ihrem zerschundenen Körper erneut an.
Und diesmal gelang ihr, was sie vorhatte. Norman Shagger starb unter ihrem grausamen, eiskalten Würgegriff.
***
Zwei Wagen kamen. Einer davon war der von Professor Zamorra bestellte Leihwagen. Ein robuster Toyota. Blütenweiß.
Die Formalitäten waren schnell erledigt. Der Toyota blieb zurück.
Die Männer, die ihn gebracht hatten, fuhren im zweiten Wagen nach kurzem Aufenthalt weiter.
»Was haben Sie nun vor, Professor?« fragte Jean-Paul Rovel. Sein Gesicht war teigig. Der Schrecken zeichnete sich immer noch in seinen Zügen ab.
»Ich will mal unseren Nachbarn aufsuchen.«
»Sally Hancocks Vater?« fragte Rovel.
»Den anderen.«
»Norman Shagger?«
»Den«, nickte Zamorra. Er hatte Rovel eine Schlaftablette in den letzten Whisky praktiziert, ohne daß dieser etwas davon gemerkt hatte.
Rovel fühlte sich wie erschlagen. Er konnte die Augen nur noch mit Mühe offenhalten.
»Möchten Sie mitkommen?« fragte Zamorra der Form halber.
Er wußte, daß Rovel ablehnen würde. In seinem Zustand sehnt man sich nach Ruhe und nicht nach einer Autofahrt, selbst wenn sie noch so kurz ist.
Jean-Paul Rovel schüttelte tatsächlich sogleich den Kopf.
Mit gerümpfter Nase meinte er: »Ich weiß nicht, was mit mir los ist, Professor. Ich fühle mich hundeelend. Wie gerädert komme ich mir vor.«
»Daran ist dieses Erlebnis schuld«, meinte Zamorra.
»Kann schon sein. Aber ich verstehe nicht, wie mich das so schläfrig machen kann.«
»Sie haben sich zu sehr verausgabt. Der Körper will sich nun erholen. Während eines kurzes Schlafes kann er das am besten.«
»Sie sind mir nicht böse, wenn ich nicht mitkomme?«
»Nicht die Spur. Ich sag’ bloß mal unserem Nachbarn guten Tag. Dazu sind Sie nicht unbedingt nötig. Wir können zu einem späteren Zeitpunkt noch mal bei Shagger hineinschauen, wenn er mir zusagt. Wenn nicht, haben Sie sich die Begegnung mit einem Ekel von Menschen erspart.«
»Meinen Sie nicht, daß dieses schwarze Ding noch mal hierher zurückkehren könnte?« fragte der Franzose ein wenig beunruhigt.
»Ich glaube, davor haben wir vorläufig Ruhe«, sagte Zamorra, wobei er aber lediglich
Weitere Kostenlose Bücher