0033 - Der Pfähler
dieser Zeit lernte ich auch meinen Freund Bill Conolly kennen. Bill war ein bekannter Reporter, reiste in der Weltgeschichte herum und erlebte die tollsten Abenteuer.
Dann wurde beim Yard eine Spezialabteilung gegründet, die sich mit der Lösung außergewöhnlicher Fälle beschäftigte. Superintendent Powell war der Chef, und er suchte einen guten Mann, den er an die Front schicken konnte.
Ich hatte das Glück, unter mehreren Bewerbern ausgewählt zu werden. Offiziell wurde die Abteilung belächelt. Doch als sich die ersten Erfolge einstellten, verging den Spöttern das Grinsen. Ich bekam Sondervollmachten und wurde sogar zum Oberinspektor befördert.
Inzwischen war ich ein alter Hase auf dem Gebiet der Dämonenbekämpfung, und das Kreuz hatte mich auf meinen Wegen immer begleitet und mich auch oft genug gerettet.
Sogar in eine andere Dimension hatte ich es mitgenommen, aber nie war es mir gelungen, die seltsamen Zeichen auf dem Metall zu entziffern. Sollte ich jetzt dicht vor der Lösung des Rätsels stehen?
Seltsam, daß ich mich bis jetzt nie an die Geschichte des Kreuzes erinnert hatte.
Doch nun gab mir das Kreuz ein Zeichen!
Wie hatte die alte Frau damals noch gesagt? Das Kreuz und der Pfahl gehören zusammen, um die Blutsauger zu bekämpfen. So ähnlich hatten ihre Worte geklungen.
Aber wo fand ich den Pfahl?
Wahrscheinlich noch in Transsylvanien, nahe der Geburtsstätte des Grafen Dracula.
Ich zündete mir eine Zigarette an und dachte angestrengt darüber nach, wie der kleine Ort hieß, den mir die Frau kurz vor ihrem Tod genannt hatte.
Irgendwas mit P. Ich murmelte den Buchstaben ein paarmal vor mich hin, doch ich kam zu keinem Ergebnis. Schließlich kam mir die Idee, den Atlas zu holen.
Ich schlug die Karte von Transsylvanien auf und begann mit der Suche. Mir wurde erst jetzt bewußt, wie groß Rumänien tatsächlich ist.
Ich teilte es mit einem Bleistift in kleine Quadrate ein und suchte jedes einzelne ab. Nach zehn Minuten fand ich den Ort. Er war nur als winziger Kreis auf der Karte eingezeichnet, inmitten der Karpaten.
Ich schüttelte den Kopf. Lieber Himmel, wie sollte ich da jemals hingelangen?
Aber nach Petrila mußte ich, daran ging kein Weg vorbei. Denn irgend etwas braute sich dort zusammen, das nicht nur für Rumänien gefährlich war, sondern auch für das übrige Europa.
Dies Gefühl hatte ich plötzlich. Und ich konnte nicht sagen, daß es mir wohl dabei war.
Dann weckte ich Suko, um ihn zu informieren, denn er sollte mich begleiten.
***
Am anderen Morgen hingen die feuchten Dunstschleier wie riesige Vorhänge zwischen den Bergen. Die Umrisse der Tannenwälder verschwammen und waren nur noch als verwaschene, wellige Linien zu erkennen. Die Temperatur war gesunken. Auf den höchsten Gipfeln lag die Schneedecke dichter. Bald würde es auch in den Tälern schneien, dann kam wieder der harte lange Winter und mit ihm die gefürchteten Wölfe. Wenn sie hungrig waren, drangen sie bis in die Dörfer ein und rissen dort das Vieh. Die grauen Bestien hatten sogar schon Menschen angefallen.
Aber die Wölfe waren jetzt zweitrangig. Wenigstens für Marek, den Pfähler.
Er hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. Immer wieder wurde er von wilden Träumen geplagt. Er sah eine Vampirflut auf Rumänien zukommen und nicht nur auf dieses Land sondern auf ganz Europa. Die Träume waren schrecklich und kamen intervallweise. Zwischendurch wachte Marek immer wieder auf. Schweißgebadet hatte er sich im Bett herumgewälzt, und Marie, seine Frau, wollte schon einen Arzt holen. Es gab zwar keinen richtigen Doktor im Dorf, dafür aber einen alten Sanitäter, der während des Zweiten Weltkrieges in einem Lazarett gedient hatte. Er verstand etwas von der Heilkunst und schaffte es auch immer wieder, sich irgendwelche Medikamente zu besorgen.
Marie war aufgestanden. Sie wollte das Frühstück zubereiten. »Essen mußt du, Frantisek«, sagte sie.
Der Duft von aufgelöstem Wildschweinspeck zog durch das kleine Haus, als Frantisek Marek die enge Treppe hinunterstieg und dann die Küche betrat. Auf dem großen viereckigen Ofen stand eine Kanne mit heißer Milch. In der Pfanne brutzelten Eier. Auf einem Holzteller lag ein Kanten Brot.
Marek nahm Platz. Er trug nur ein Unterhemd und eine alte ausgebeulte Hose. Sein schlohweißes Haar stand wirr vom Kopf ab. Nachdenklich starrte er auf den Teller.
»Ich habe keinen Hunger, Frau!«
Marie schenkte die hohe Emailletasse mit Milch voll. »Du mußt aber
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