0034 - Das Teufelsauge
Bißwunden waren eindeutig. Und es ist merkwürdig, daß unsere Lernschwester heute früh nicht zum Dienst erschienen ist. Sie ist sonst pünktlich. Auch wohnt sie nur ein paar Häuser vom Hospital entfernt. Wir haben uns gleich nach ihr erkundigt. Aber sie ist nach ihrem gestrigen Dienst im Hospital nicht zu Hause gewesen.«
»Der Name der Schwester?«
»Schwester Marghita.«
»Nachname?«
»Golvez. Marghita Golvez.«
»Gut, Doktor. Bitte lassen Sie alles in dem Zustand, wie Sie es vorgefunden haben, bis wir bei Ihnen sind.«
»Auch die Leiche?«
»Natürlich auch den Toten. Geben Sie Ihrem Personal strikte Anweisungen.«
***
Professor Zamorra sagte sofort zu, als der Capitano ihn fragte, ob er ihn nach Vila Tangil begleiten wolle.
Für portugiesische Verhältnisse war die Straße, die in Richtung Nordosten führte, in recht gutem Zustand.
Nur hin und wieder tauchten kleine Hindernisse auf. Schlaglöcher, die seit Jahren nicht mehr ausgebessert worden waren. Und wie sie der Autotourist aus vielen Gegenden in Spanien kannte.
Dann wieder zwangen Felsbrocken, die der Regen aus den Bergen auf die Straße geschwemmt hatte, den Kapitän und seinen Beifahrer zum Aussteigen. Mit vereinten Kräften räumten sie die Hindernisse aus dem Weg.
Nach knapp einer Stunde erreichten sie ihr Ziel.
Zamorra streckte eine Hand aus und wies auf ein langgezogenes, weiß getünchtes Gebäude.
»Da drüben«, sagte er zu Idor Capoa. »Das muß das Krankenhaus sein.«
Der Kapitän schüttelte verständnislos den Kopf.
»Sind Sie sicher?« fragte er ungläubig.
»Ganz sicher«, gab Zamorra zurück. »Ich habe das Gebäude ja ganz deutlich sehen können.«
»Von Frankreich aus«, betonte Capoa.
»Natürlich«, meinte Zamorra knapp.
Der Kapitän konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wie eine derartige übernatürliche Verbindung zustande kommen konnte.
Aber das war wohl überhaupt die Erklärung für alle überirdischen Erscheinungen. Sie grenzten ans Wunderbare, und sie waren mit herkömmlichen wissenschaftlichen Mitteln eben nicht zu erklären.
Wer nicht selbst etwas von solchen medialen oder intermedialen Eigenschaften hatte, sollte sich da einfach vor gegebene Tatsachen stellen lassen.
Kapitän Capoas Respekt vor den Fähigkeiten und der Persönlichkeit Zamorras war seit den ersten Berichten, die er über ihn gehört hatte, niemals klein gewesen.
Aber in den nächsten Stunden und Tagen sollte er noch beträchtlich zunehmen.
Die beiden Männer verließen den Wagen und gingen auf das Hospital zu.
»Capitano?« fragte eine Schwester am Eingang.
»Si«, sagte der Polizeibeamte. »Ich bin Capitano Idor Capoa. Wenn Sie mich zu Ihrem Chefarzt führen wollen?«
»Doktor Menao erwartet Sie im Ordinationszimmer. Bitte hier entlang.«
Zamorra folgte der Schwester an Capoas Seite über einen langgezogenen Flur.
Dann standen sie im Sprechzimmer des Chefarztes.
Dr. Francesco Menao machte einen sympathischen wie sicheren Eindruck. Seine ganze Erscheinung ließ gleich beim ersten Blick auf einen bedachten, sachlichen und nüchternen Verstand schließen.
Das bestätigte sich, als der Chefarzt seinen Bericht gab, nachdem er die beiden Besucher zum Sitzen eingeladen hatte.
»Bitte schildern Sie den Vorgang mit allen Details«, bat Kapitän Capoa. »Geben Sie mir auch die Kleinigkeiten bekannt, die Ihnen anfangs vielleicht überflüssig erscheinen.«
»Ich muß zugeben, Señores, daß wir den Fall erst zu spät entdeckt haben.«
»Wie meinen Sie das, Doktor?« fragte Zamorra schnell. »Sie werden sich doch nicht den Selbstvorwurf machen, nachlässig gehandelt zu haben? Oder meinen Sie, daß Sie oder jemand von Ihrem Personal den Vampir bei seiner grausigen Tat hätte überraschen müssen?«
»Natürlich nicht«, sagte der Chefarzt mit einem Lächeln, das ein wenig bitter war. »Aber wir sind, sagen wir einmal, vielleicht doch ein wenig nachlässig gewesen. Sehen Sie: die Tat muß gestern geschehen sein. Am späten Nachmittag oder in den frühen Abendstunden. Da ist es also ganz natürlich, wenn die Schwester, die ihre Kontrollgänge durch die Krankenzimmer macht, zunächst keinen Verdacht schöpft. Enrique Mandes, das Opfer, war aber längst tot, als die letzten Kontrollgänge des Abends gemacht wurden.«
»Es ist doch ganz verständlich, wenn die diensttuende Schwester den Mann für schlafend hielt, Doktor.«
»Das schon«, gab der Chefarzt zu. »Aber wenn der Patient bei jedem dieser Kontrollgänge immer die
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