0034 - Das Teufelsauge
Feuer. Hier oben hat vor nicht sehr langer Zeit jemand Feuer gemacht.«
Sofort setzten sie ihre Suche fort.
Und bald hatten sie gefunden, wonach sie suchten.
Sie waren an der Feuerstelle von La Zanuga angelangt!
Sie konnten nicht ahnen, unter welchen Qualen das junge Mädchen, von der Zigeunerin angetrieben, hier seinen Todestanz vollzogen hatte.
Aber die Brandspuren waren deutlich. Verkohlte Reste von Zweigen, angesengtes Gras.
Und dann fand Zamorra einen Fetzen von grobem, grauem Leinen.
Er zeigte ihn dem Kapitän.
»La Zanuga«, sagte dieser. »Wenn das nicht von dem breiten Reifrock der Zigeunerin ist, will ich sofort meine Entlassungspapiere haben.«
»Sie sind wirklich sicher, Kapitän?«
»Ganz sicher. Solch grobes Zeug tragen selbst die ärmsten Leute in dieser Gegend nicht mehr.«
»Also ist es sicher, daß La Zanuga die junge Vampirin gerichtet hat.«
»Ja. Professor. Und sie hat ihr Opfer betäubt. Es geht das Gerücht, daß sie das mit Hilfe ihrer Geige erreicht, auf der sie eine ins Blut gehende und zum Wahnsinn treibende Melodie spielt. Dann hat sie ihr Opfer auf die Schulter geladen und…«
»Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Zamorra. »Die Fußabdrücke, die wir soeben im Gras sahen, waren sehr tief. Ein Mensch ist aber nicht so schwer, um derartig tiefe Abdrücke zu hinterlassen. Also muß die Zigeunerin sich das Mädchen auf die Schultern geladen haben. Dann hat sie die arme kleine Golvez an den Rand der Felsenwand gebracht, den dichten Maschendraht zerschnitten und das Mädchen hinuntergestürzt.«
»So muß es sich abgespielt haben«, meinte Capoa.
»Und wie erklären Sie sich die zwar winzigen, aber immerhin vorhandenen Blutspuren im Gras?« fragte Zamorra.
Capoa hatte eine einleuchtende Erklärung dafür.
Er zeigte rings auf die Stelle, wo das Feuer gebrannt hatte.
»Das Gras ist überall niedergetreten. Die Zigeunerin hat entweder mit dem Mädchen gerungen, ehe sie es überwältigen konnte. Oder sie hat zu ihrer Melodie einen wilden Tanz aufgeführt. Dann hat sie das Mädchen gepackt und herumgezerrt, bis es bewußtlos war. Dabei ist das Mädchen dann mit Armen, Kopf oder Beinen gegen einen der umherliegenden Steine gestoßen. Sie sehen, daß hier überall solche Gesteinsbrocken verstreut sind.«
Ja, das klang einleuchtend. Aber Zamorra hatte kein gutes Gefühl bei dem Gedanken, daß eine Erklärung für das Vorhandensein von Blut neben den Fußspuren so leicht zu finden sein sollte.
Die beiden Männer machten sich schweigend an den Abstieg.
Dann fuhren sie mit mäßig hohem Tempo nach Porto zurück.
Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Jeder versuchte, sich seine Theorie über den Ablauf der Dinge zurechtzulegen.
»Sagen Sie, bitte«, brach Zamorra das Schweigen. »Wie war das beim ersten Fall neulich? Sie haben angedeutet, daß La Zanuga das Opfer vor Ihren eigenen Augen über die Klippen in den Atlantik geworfen hat?«
»Si, Professor. Ich war die ganze Zeit dabei und konnte es beobachten. Warum fragen Sie?«
»Ich möchte nur die Möglichkeit ausschalten, daß La Zanugas Opfer bereits vor dem Absturz ins Meer – oder, im Falle Golvez – vor dem Sturz auf die Straße tot war.«
Capoa sah fassungslos auf Zamorra.
»Wie kommen Sie auf diese seltsame Idee? Ich sagte Ihnen doch, daß ich sozusagen die Opferung im ersten Fall mit eigenen Augen miterlebt habe.«
»Ich möchte nur sicher gehen, Kapitän. Warum sollte die Zigeunerin nicht den Wunsch haben, einen Vampir auf andere Weise zu tö- ten? Durch Erwürgen vielleicht? Dann wirft sie die Opfer über die Klippen, und jedermann muß annehmen, daß der Sturz beziehungsweise der Aufschlag den Tod verursacht hat.«
Capoa setzte ein fast mitleidiges Lächeln auf.
»Wir kennen die Zigeunerin«, sagte er. »Sie ist hinter den scheußlichen Vampiren genauso her wie wir von der Polizei. Und fragen Sie die Bewohner hier, fragen Sie durchziehende Zigeuner. Ihre Melodie, das nervenzerreißende ›Teufelsauge‹, ist die alte Weise der Zigeuner, einem Menschen die Blutgier auszutreiben. Nein, Señor, die Alte würden wir unter allen Umständen zu Unrecht verdächtigen.«
»Das beruhigt mich fürs erste«, sagte Zamorra. Er wollte nicht zugeben, daß es ihn in Wahrheit ganz und gar nicht beruhigen konnte.
Vor der Präfektur wollte er sich schon von Capoa verabschieden, als ihm einfiel, daß er ja vom Flughafen per Taxi direkt hierher gefahren war!
Er hatte sein Gepäck noch in Capoas Büro stehen!
Und ein Hotel
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