0034 - Das Teufelsauge
bekommen.
Ich werde es mir merken, dachte er bei sich. Und er nahm sich vor, nie wieder in Paris frische Austern zu bestellen. Selbst bei schnellstem Transport der Lieferfirma brauchten diese Seetiere doch ein paar Stunden, bis sie in der französischen Hauptstadt auf den Verkaufstischen lagen.
Frische Austern! Wo könnte man sie besser bekommen als in den Orten, die direkt am Meere lagen! Wo Fische jeglicher Art, Langusten, Krebse, Austern und Muscheln sozusagen vom Strand in den Mund geliefert werden konnten.
Zamorra gab sich eine Viertelstunde lang den kulinarischen Genüssen hin. Er hatte nicht direkt Hunger, nur der Appetit meldete sich. Und der Sekt tat sein Bestes.
Die kalte Dusche hatte den Professor herrlich erfrischt. Er fühlte sich zu neuen Taten aufgelegt.
Er machte es sich in einem geräumigen Liegesessel bequem und ging die Ereignisse in Gedanken noch einmal durch. Alle, von denen er gehört hatte. Und die des vergangenen Tages, die er miterleben durfte.
Da war also vor Jahren ein unglaublicher Fall von Vampirismus aufgetreten. Und die alte Zigeunerin, La Zanuga, hatte davon gehört. Sie war nach Portugal gekommen und hatte den Fall auf ihre Art gelöst.
Daran war nichts Mysteriöses. Nicht für einen Mann wie Zamorra, dem der Umgang mit der Welt der Dämonen zum Beruf geworden war.
Aber die neuen Fälle gaben doch zu denken. Zugegeben, daß auch La Zanuga über Kräfte und Gaben verfügte, wie sie nicht jedem Menschen zuteil sind.
Sie hatte zum Beispiel die Kraft, Vampire nach kurzer Zeit ausfindig zu machen und zur Strecke zu bringen.
Das bedeutete aber, daß weder der Professor noch Kapitän Capoa in der Lage waren, diese dämonischen Menschen selbst zu stellen und sie zum Reden zu bringen.
La Zanuga erledigte die Polizeiarbeit auf ihre Weise. Das mochte zwar für die Bevölkerung gut sein, die über jeden schnell gelösten Fall beruhigt war.
Für die Arbeit Capoas und Zamorras aber ging die Lösung dieser Fälle einfach zu glatt vonstatten.
Eine andere Frage war, warum ausgerechnet Krankenschwestern plötzlich die unwiderstehliche Neigung verspürten, ihrem Blutdurst nachzugeben und Patienten zu überfallen.
Zamorra fand noch keine Antwort auf diese Frage. Aber er wußte, daß hinter den Fällen weit mehr stecken mußte.
Und die nächste bange Frage für alle Betroffenen war: würde es in Zukunft noch mehr solcher schrecklicher Fälle geben? Und würde La Zanuga, die einäugige Zigeunerin, wieder in der Lage sein, den Täter oder die Täterin zu stellen? Oder Zamorra und Capoa zumindest auf seine Spur zu bringen?
Oder wäre es in Zukunft nicht angebracht, in allen Krankenhäusern des Nordens starke polizeiliche Kontrollen einzusetzen? Jede Krankenschwester zu überwachen?
Unmöglich, sagte sich Zamorra.
Er wußte nicht, wie es zahlenmäßig um das Polizeiwesen in und um Porto bestellt war. Aber es war sicher, daß es mehr Kranke und Krankenschwestern als Polizisten gab.
Es war also ausgeschlossen, daß man alle Mädchen und Frauen in den Krankenhäusern und noch dazu in ihrem Privatleben überwachen konnte.
Und La Zanuga?
Wenn sie die Kraft hatte, Vampire aufzufinden, warum sollte sie nicht neue Untaten vermeiden können? Konnte sie die Spuren, die Schlupfwinkel, die Vorhaben neuer Vampire nicht erahnen?
Nein, das war zuviel verlangt. Zamorra selbst war ein Meister im Aufspüren aller Arten von teuflischen Kräften. Aber im Augenblick hätte er nicht sagen können, ob, wann und wo ein neuer Fall von so abscheulich gestillter Blutgier auftreten würde.
Es galt abzuwarten.
Es war Freitagabend. Der Samstag würde vielleicht noch vergehen, bevor Nicole Duval und der Freund aus Amerika eintreffen würden.
Am Wochenende würde er also nicht viel unternehmen können.
Zamorra nahm sich vor, den Montagmorgen abzuwarten. Dann wollte er die Zigeunerin sprechen. Im Büro Capoas.
Vielleicht würde er mehr herausfinden als Capoa.
Also gab es im Augenblick nichts, als abzuwarten.
Aber Zamorra wäre glücklich gewesen, wenn er hätte aktiver sein dürfen.
Er spürte, daß der Fall verworrener war, als man allgemein annahm.
Und er spürte noch mehr.
Er fühlte, wie das Amulett auf seiner Brust sich zu regen schien. Er nahm die Kette mit dem Talisman ab und hielt das wertvolle Schmuckstück viele Minuten in den Händen. Wie in seinem Schloß, wie zwei Tage vorher, glaubte er, das Amulett würde zu brennen anfangen. Es glühte in seiner Hand.
Zamorra wartete auf eine geheime
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