0036 - Die Nacht des Feuergottes
zuckten mit den Schultern. Sie kannten den Namen des Missionars nicht, hofften aber, ihn herauszubekommen.
»Wir werden versuchen, über den Holländer so viel wie möglich in Erfahrung zu bringen, Mr. Sinclair«, sagte Fraval.
Ich nippte an meinem Tee und sagte dann: »Ich würde den alten Mann sehr gern kennenlernen.«
»Mit ein bißchen Glück läßt sich Ihr Wunsch vielleicht erfüllen«, bemerkte der Franzose.
Glück! Ich benötigte es immer wieder. Das Glück wurde wohl von keinem anderen Menschen so sehr strapaziert wie von mir. Wenn man gegen Geister und Dämonen kämpft, genügt es einfach nicht, Kraft und Mut zu besitzen. Manchmal reichen auch die vielfältigen Waffen, die ich mir im Laufe der Zeit zugelegt habe, nicht aus. In so manchem Kampf auf Leben und Tod hatte gerade ein Quentchen Glück dazu beigetragen, daß ich aus der ausweglos scheinenden Lage doch noch mit heiler Haut entkommen war.
Eine Wunderwaffe gegen Dämonen.
Ich wagte kaum zu hoffen, daß ich sie jemals besitzen würde. Ich war schon lange auf der Suche nach einer Waffe, die mich den Mächten der Finsternis überlegen machte.
Würde ich sie endlich finden?
***
Der Buick LeSabre rollte leise schnurrend über das graue Asphaltband. Wälder begleiteten zunächst die Straße. Dann kamen die weiten Flächen, auf denen Kaffee angepflanzt war.
Toc Tyzacks Plantage.
Ich war neugierig auf den Mann, von dem uns Alicia Montilor und Jean-Claude Fraval nichts Gutes erzählt hatten. Er mußte ein wahres Scheusal sein. Zynisch und arrogant. Hartherzig und geldgierig. Ein Verächter der Menschheit, dem es großen Spaß zu machen schien, seine Arbeitnehmer zu quälen und zu schinden.
Mir sind solche Typen zuwider, und ich nahm mir vor, dem Mann nicht gerade besonders freundlich zu begegnen. Vermutlich legte er darauf auch gar keinen besonderen Wert.
Suko saß neben mir und betrachtete schweigend die Landschaft. Wir sahen Arbeiter auf der Plantage. Frauen und Männer. Hin und wieder auch Kinder, die genauso rackerten wie ihre Eltern.
Bei uns in England wäre so etwas undenkbar gewesen.
Während wir die letzte Meile hinter uns brachten, kreisten meine Gedanken um Toc Tyzack. Ich fragte mich, warum er diesen packenden Bericht über den Feuergott geschrieben hatte.
Was hatte er mit der Veröffentlichung bezweckt? Hatte er nur mal sehen wollen, ob er in der Lage war, einen Artikel zu schreiben? Oder hatte er die Welt auf die Existenz des Feuergottes aufmerksam machen wollen?
Dazu fiel mir plötzlich ein, daß uns Jean-Claude Fraval erzählt hatte, der Feuergott hätte in diesem Land schon eine Menge Diener. Es würden immer mehr werden.
Gehörte Toc Tyzack etwa schon zum Gefolge des Dämons? Hatte er den Bericht in dessen Auftrag geschrieben, damit die Welt aufhorchte?
Diese Fragen wollte ich Tyzack im Verlaufe des Gesprächs – das hoffentlich zustande kommen würde – stellen.
Sein Haus kam in Sicht.
Ein weißer, flacher Bau, in die Landschaft geduckt. Breit, mit grauem Dach und einer großen, schattigen Veranda, auf der mir ein großer, geflochtener Lehnstuhl auffiel.
Ich ließ den LeSabre vor dem Gebäude ausrollen. Eine Staubwolke überholte das Fahrzeug und legte sich auf die Stufen, die zur Veranda hinaufführten. Aus dem großen Korbstuhl erhob sich ein hochgewachsener Mann.
Er war hager. Sein Gesicht war von tiefen, dunklen Falten überzogen. Die Augen, die in schattigen Höhlen lagen, betrachteten uns mit einem Gemisch aus Neugier und Feindseligkeit.
Als wir ausstiegen, spürten wir sofort, daß wir hier nicht willkommen waren. Toc Tyzack schob seine knorrigen Hände in die Hosentaschen. Ein Windstoß brachte sein graues, leicht gewelltes Haar in Unordnung. Er kümmerte sich nicht darum.
Suko und ich stiegen die Stufen hinauf.
»Was wollen Sie hier?« herrschte Tyzack uns an. »Wer sind Sie?«
Ich stellte mich vor: »Mein Name ist John Sinclair. Und dies ist mein Partner Mr. Suko. Ich bin Oberinspektor bei Scotland Yard.«
Tyzack grinste spöttisch. »Sie scheinen sich gewaltig verflogen zu haben, Oberinspektor. Wissen Sie, wo Sie gelandet sind? In Nicaragua. Und somit sind Sie kein Oberinspektor mehr, sondern bestenfalls noch ein Mister.«
»Warum so aggressiv, Mr. Tyzack?« fragte ich.
»Ich mag keine Fremden auf meinem Grund und Boden.«
»Mögen Sie überhaupt jemand?« fragte Suko grimmig. Ich warf einen Blick auf die Fäuste meines Freundes. Er hätte dem Amerikaner damit gern bessere Manieren
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