0036 - Die Nacht des Feuergottes
und dann vernahmen wir Sturzgeräusche. Ich schob den Schlüssel hastig ins Schloß und drehte ihn herum.
Bevor ich den Keller betrat, öffnete ich mein Hemd. Ich trage ein geweihtes Silberkreuz um den Hals. Es sollte mich vor der Strahlung des Bösen bewahren.
Jean-Claude Fraval war die Kellertreppe hinuntergekugelt. Soeben richtete er sich benommen auf. Sein Gesicht war uns zugewandt. Es war häßlich verzerrt. Seine Augen glühten, und die gebleckten Zähne bestanden aus kleinen, roten Flammen.
Fraval schien uns nicht wahrzunehmen.
Er wischte sich immer wieder angeekelt über seine Arme und seinen Körper. Er wollte die magischen Partikelchen wegputzen, doch sie hafteten so fest an ihm, daß er sie nicht entfernen konnte.
Erschöpft sank er auf die Knie.
Hilflos gestikulierend setzte er die wirkungslose Reinigung so lange fort, bis er ächzend umfiel. Verbissen wollte er sich noch einmal erheben, doch er schaffte es nicht.
Sein Rücken krümmte sich. Er zog ein letztes Mal die Beine an, streckte sie dann aber seufzend wieder aus und lag still. Mein magischer Spray hatte ihn vorübergehend erledigt.
Aber er war immer noch ein Diener des Feuergottes.
Wir eilten die Stufen der Kellertreppe hinunter. Ich zog den Ohnmächtigen hoch, trat hinter ihn und hielt ihn mit beiden Armen fest.
»Stell dich vor ihn«, verlangte ich von Suko. Der Chinese tat es. »Und jetzt drück ihm den Kreuzgriff des Silberdolchs auf die Stirn.«
Während mein Partner das machte, umklammerte ich Jean-Claude Fraval, so fest ich konnte. Als das Silber die Stirn des Ohnmächtigen berührte, ging ein gewaltiger Ruck durch Fravals Körper.
Ich wurde nach vorn gerissen, ließ aber nicht los. Mit lauter Stimme rief ich eine Beschwörungsformel, die das Böse aus Fravals Körper verbannen sollte.
Der Erfolg stellte sich umgehend ein.
Eine grelle Feuerlohe schoß aus Fravals aufklaffendem Mund. Sie fauchte an Sukos Gesicht vorbei, fegte – begleitete von einem langgezogenen Wutgeheul – durch den Keller und raste einen Augenblick später durch ein offenstehendes Fenster davon.
Ich spürte deutlich, wie Fravals Körper sich entspannte.
Wir hatten das Böse aus seinem Leib vertrieben.
Ein Grund für Suko und mich, erleichtert aufzuatmen…
***
Vorläufig blieb Jean-Claude Fraval noch ohnmächtig. Wir brachten ihn in seine Privaträume. Ich rief über das Haustelefon Alicia Montilor in meinem Zimmer an und teilte ihr mit, daß sie sich um ihren Jean-Claude keine Sorgen mehr zu machen brauchte.
Als sie zur Tür hereinstürmte, schlug der Hotelbesitzer gerade seine Augen auf. Alicia warf sich schluchzend vor Freude auf ihn und bedeckte sein blasses Gesicht mit unzähligen Küssen.
Wir brachten dem Mann schonend bei, was sich zugetragen hatte. Er richtete sich auf und sagte mit bewegter Stimme: »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, Mr. Sinclair. Auch Ihnen danke ich von ganzem Herzen, Mr. Suko.«
»Möchten Sie, daß sich ein Arzt um Sie kümmert?« fragte ich den Franzosen. Alicia saß neben ihm auf dem Divan und strich ihm immer wieder zärtlich und glücklich übers Haar.
»Ich brauche keinen Arzt«, sagte Fraval.
»Glauben Sie, daß Sie in der Lage sind, mir ein paar Fragen zu beantworten, Mr. Fraval?« erkundigte ich mich.
Der Hotelbesitzer nickte ernst. »Fragen Sie, Mr. Sinclair.«
»Sie waren vom Bösen besessen. Wie war das?«
»Ich war nicht mehr ich selbst«, antwortete Fraval.
»Ihr wahres Ich wurde verdrängt?«
»Ja. Es wurde aus meinem Körper verbannt. Mein Geist war während meiner Besessenheit – gewissermaßen als Gefangener – beim Feuergott.«
Ich horchte auf. »Sie waren in der Welt des Feuergottes?« fragte ich hastig.
Jean-Claude Fraval nickte.
Ich schoß sofort die nächste Frage ab: »Wo befindet sich diese Welt, wie gelangt man da hinein?«
Die Antwort darauf war für ganz Nicaragua von eminenter Wichtigkeit. Wenn Fraval uns sagen konnte, wo sich der Eingang in die Dämonenwelt befand, konnten wir uns umgehend auf den Weg dorthin begeben und die Custodia des holländischen Missionars in das Reich des Feuergottes hinabschleudern.
Aber Fraval enttäuschte uns.
Er blickte auf seine Hände, hob langsam die Schultern und sagte leise, während er den Kopf schüttelte: »Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.«
»Denken Sie nach«, sagte ich eindringlich. »Ihre Antwort ist für uns alle sehr, sehr wichtig.«
Fraval zermarterte sich das Gehirn, aber es kam nichts dabei heraus. Er seufzte
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