0036 - Die Nacht des Feuergottes
eine Weile und kehrte dann mit einem etwa vierzig Zentimeter hohen Gefäß zurück.
Es war eine mit weißen Topasen besetzte Custodia, in der in früherer Zeit geweihte Hostien aufbewahrt worden waren.
Mark van Pallandt trug das Gefäß mit ehrfürchtiger Miene. Er überreichte es mir mit den Worten: »Geben Sie darauf acht wie auf Ihren Augapfel, Sinclair! In ihr befindet sich die geballte Kraft des Guten. Aber nur solange, wie sie ganz ist. Deshalb müssen Sie darauf achten, daß sie nicht zerbricht. Gehen Sie mit dieser wertvollen Custodia wie mit einem rohen Ei um.«
»Sie wird unversehrt bleiben. Das verspreche ich«, sagte ich ernst.
»Es gibt einen Einstieg in das Reich des Feuergottes«, sagte Mark van Pallandt. Er kehrte zu seinem Lager zurück. »Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wo er sich befindet. Sie müssen ihn suchen, und Sie müssen ihn gefunden haben, bevor der morgige Abend anbricht, sonst können Sie nichts mehr für Nicaragua tun.«
»Okay«, sagte ich schnell. »Nehmen wir an, ich finde den Einstieg. Was dann?«
»Dann schleudern Sie die unversehrte Custodia in das Dämonenreich hinab. Sie werden damit eine Wirkung erzielen, als hätten Sie unter der Erde eine Atombombe gezündet.«
»Das kann ich nicht machen.«
»Warum nicht?« fragte van Pallandt.
»Ich muß auf Kevin Jewesbury und Marion McNally Rücksicht nehmen!«
»Denen wird nichts passieren«, erwiderte der Missionar. »Die vernichtende Kraft des Guten wird sich lediglich gegen das Böse richten. Die beiden Engländer haben nichts zu befürchten. Das Gute wird sie nicht nur verschonen, sondern darüber hinaus auch beschützen. Werfen Sie die Bombe, Sinclair. Aber tun Sie’s um Himmels willen bald. Ich sagte es schon einmal: Es ist bereits fünf Minuten vor zwölf!«
Nun war ich im Besitz einer Waffe, mit der ich dem Feuergott den Garaus machen konnte.
Aber es gab keinen Grund, vor Freude zu taumeln, denn wir hatten keine Ahnung, wo sich jener Eingang befand, der in das Reich des Dämons führte.
Wenn wir ihn nicht schnellstens fanden, konnten wir – ganz trocken gesprochen – die Custodia bestenfalls als Blumenvase verwenden.
Würde die Zeit noch reichen, um zu verhindern, daß der Feuergott die morgige Nacht zu der seinen machte?
Uns standen bestenfalls vierundzwanzig Stunden zur Verfügung. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, was auf dem Spiel stand. Wir wollten nichts unversucht lassen, um unser Ziel zu erreichen.
Ob wir auch Erfolg haben würden, das stand im Moment noch auf einem anderen Blatt.
***
Jean-Claude Fraval war froh, daß John Sinclair die Dämonenbanner in seinen Privaträumen angebracht hatte. Das gab ihm ein gutes Gefühl der Sicherheit. Er hatte seit Monaten vor nichts mehr Angst gehabt als davor, vom Feuergott auf irgendeine heimtückische Weise zu seinem Diener gemacht zu werden.
Das würde ihm nun, dank der Dämonenbanner, erspart bleiben.
Das dachte Jean-Claude Fraval jedenfalls. Aber er rechnete nicht mit der Hinterlist des Dämons. In den abgeschirmten Privaträumen konnte dem Franzosen selbstverständlich nichts passieren.
Wohl aber anderswo.
Zum Beispiel im Keller!
Der Hotelbesitzer schloß soeben die Tür auf und machte Licht. Einer der Gäste hatte einen Stuhl beschädigt. Es gab im Keller eine kleine Reparaturwerkstatt, in der Fraval kaputte Möbel wieder instandsetzte, wenn er Zeit hatte.
Da im Augenblick nicht viel zu tun war, wollte sich Jean-Claude Fraval gleich an die Arbeit machen. Er stieg die Stufen hinunter und betrat gleich darauf den kleinen, zweckmäßig eingerichteten Raum.
Er legte die beiden Stuhlteile auf die Werkbank und zog dann einen grauen Overall an, um seine Kleidung bei der Arbeit nicht schmutzig zu machen.
Als er den Elektrokocher einschaltete, um den Leim zu wärmen, begann das Licht zu flackern. Fraval blickte zur Lampe. Die Glühbirne konnte an dem Zucken nicht schuld sein, denn drei weitere Lampen flackerten ebenfalls.
Kündigte sich auf diese Weise ein Stromausfall an?
Nach mehrmaligem Flackern wurde es im ganzen Keller schlagartig dunkel. Jean-Claude Fraval stieß einen ärgerlichen Fluch aus. Gerade jetzt, wo er diese Arbeit angehen wollte, mußte das passieren.
Er schaltete unwillig den Elektrokocher ab.
Als er die kleine Werkstatt verlassen wollte, vernahm er ein leises Ächzen. Er wußte sofort, daß dieses Geräusch von der Kellertür kam. Sie ächzte immer so, wenn sie bewegt wurde.
Gleich darauf knallte sie laut ins Schloß. Jemand
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