0036 - Die Nacht des Feuergottes
geplagt und sagte kleinlaut: »Ich hätte Ihnen gern geholfen, Mr. Sinclair, aber ich kann’s nicht erzwingen.«
»Das sehe ich ein, Mr. Fraval. Aber versprechen Sie mir, daß Sie über meine Frage weiter nachdenken werden. Vielleicht fällt Ihnen die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt ein.«
Hoffentlich nicht zu spät, dachte ich, aber diesen Gedanken behielt ich für mich.
Plötzlich funkelte es in seinen Augen.
Ich dachte schon, daß die Erinnerung – die möglicherweise vom Schock ins Unterbewußtsein verdrängt worden war – endlich an die Oberfläche gekommen war. Aber es war nicht die Antwort auf meine Frage, die Jean-Claude Fravals Augen belebte, sondern etwas anderes, nicht minder Interessantes!
»Der Feuergott lebt in menschlicher Gestalt unter uns!« berichtete der Franzose. »Auf diese Weise kann er uns alle unerkannt im Auge behalten…«
»Wer ist es, Jean-Claude?« fragte Alicia Montilor verblüfft. »Wer?« Der Hotelbesitzer blickte mich an und sagte – die beiden Namen stark betonend: »Toc Tyzack!«
***
Jetzt war mir einiges klar. Es hieß allgemein, Toc Tyzack wäre schlimmer als der Satan. Nun kannten wir den Grund. Er hatte uns gesagt, daß er die Herrschaft des Feuergottes nicht fürchten würde. Wozu hätte er sich auch vor sich selbst fürchten sollen? Wir waren ihm auf seiner Plantage nicht willkommen gewesen. Ganz klar, er hatte gewußt, daß wir seine Feinde waren.
Er hatte mit seinem Bericht in den Mystery News gewissermaßen für sich selbst Reklame gemacht. Seine Geltungssucht hatte ihn dazu getrieben. Er wollte über die Grenzen Nicaraguas hinaus bekannt werden.
Er verwendete das englische Magazin – von dem er wußte, daß es in der ganzen Welt gelesen wird – als Sprachrohr. Das also hatte er mit seinem aufwühlenden Artikel bezweckt.
Jean-Claude Fraval hatte uns zwar nicht verraten können, wo sich der Eingang in die Dämonenwelt befand, er hatte uns aber dennoch sehr geholfen. Wenn wir von ihm nichts erfahren konnten, würde uns Toc Tyzack die betreffende Antwort geben müssen.
Auf irgendeine Weise würde es uns schon gelingen, Toc Tyzack zum Reden zu bringen.
Wir ließen die Custodia im Hotel. Fraval und Alicia versprachen uns, gut auf das wertvolle Gefäß aufzupassen. Wir eilten aus dem Hotel, setzten uns in den geliehenen Buick LeSabre und rasten aus der Stadt.
Mein Einsatzkoffer lag auf den Rücksitzen. Ich hoffte, daß sich irgendeine Waffe darin befand, mit der ich Toc Tyzack in die Knie zwingen konnte.
Ich fuhr, als wäre der Teufel hinter meiner Seele her. Dennoch war ich nicht wie ein rücksichtsloser Rowdy unterwegs. Ich hatte den Wagen jederzeit gut in der Hand. Die anderen Verkehrsteilnehmer wurden durch meine Fahrweise nicht im geringsten gefährdet.
Bald lag Managua hinter uns.
Die Plantage tauchte vor uns auf.
Wenig später stoppte ich meinen Wagen knapp vor Toc Tyzacks Haus. Wir sprangen aus dem Fahrzeug. Ich nahm einen Einsatzkoffer mit. Der Korbsessel auf der Terrasse war verwaist.
Wir betraten durch die offene Terrassentür das Gebäude. Suko bekam meine Beretta, während ich mich mit der Gnostischen Gemme bewaffnete. Schulter an Schulter standen wir in der Mitte des großen Living-rooms.
»Tyzack!« schrie ich mit lauter Stimme. »Tyzack, kommen Sie her! Wir haben mit Ihnen zu reden!«
Unsere Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt. Kein Wunder, wir befanden uns in der Höhle des gefährlichen Löwen, und wir hatten keine Ahnung, wie er auf unser Erscheinen reagieren würde.
Zunächst reagierte er überhaupt nicht.
»Tyzack! Verkriechen Sie sich nicht wie eine feige Memme!« schrie ich.
Wir behielten unsere Umgebung aufmerksam im Auge.
Nichts passierte.
»Dann werden wir ihn eben suchen!« entschied ich.
Wir durchstöberten das ganze Haus. Keinen Raum ließen wir aus. Ich versuchte mit magischen Tests herauszufinden, ob es für Toc Tyzack ein Versteck gab, das wir noch nicht gefunden hatten.
Es gab kein Versteck in dem Gebäude.
Wütend mußte ich mit damit abfinden, daß Toc Tyzack nicht in seinem Haus war. Die Fahrt hierher war vergebens gewesen.
»Was nun?« fragte mich Suko.
»Wir warten auf ihn!« sagte ich grimmig. Und dann warteten wir. Eine volle Stunde. Tyzack ließ sich nicht blicken. Ich konnte kaum noch stillsitzen. Es drängte mich, etwas zu tun. Irgend etwas.
Ich stellte Tyzacks Arbeitszimmer systematisch auf den Kopf, hoffte, daß mir dabei irgendwelche Aufzeichnungen in die Hände fallen würden, die uns
Weitere Kostenlose Bücher