0037 - Panik in Tokio
Höhepunkt des Abends. Zumindest für die übrigen Gäste, alles begüterte, einflußreiche Persönlichkeiten. Ein kostbarer, farbenprächtiger Kimono umschmeichelte Tomoes vollendete Figur.
Obwohl sie für eine Japanerin sehr groß war, wirkte sie zierlich, und ihre mandelförmigen Augen in dem weißgeschminkten Gesicht waren hinreißend. Ihr Nackendekollte zeigte die zarte Linie ihres Halses, die Frisur war im Ginko-Stil aufgesteckt.
Gogen Kishis Herz hämmerte. Er trank den Sake viel zu schnell.
Tomoe tanzte und sang zur Shamise. Sie unterhielt sich mit jedem der Männer und glänzte mit ihrem Wissen und ihrem Charme. Zum Schluß deklamierte sie ihr Abschiedsgedicht.
»Wie der Duft der Blüte, wie der Tau des Morgens und die Stimme des Vogels, ist die Stunde der Geisha. Doch alles Schöne verweht und vergeht wie der Traum in einem Traum.«
Eine letzte Verbeugung, bei der der Fächer ihr Gesicht fast verdeckte, ein letzter Blick, und sie huschte aus der Tür. Die Männer schwiegen, zu applaudieren wäre ein Verstoß gegen die Regeln gewesen. Die Gäste tranken ihren Sake, ein Imbiß wurde gereicht. Die rangniederen Geishas würden die Gäste noch für eine halbe Stunde unterhalten, dann war die Geisha-Party beendet.
Gogen Kishi konnte seine Ungeduld kaum noch zügeln. Er verließ den Salon fluchtartig, und seine Leibwächter begleiteten ihn. Durch den Hinterausgang gelangte Kishi ins Freie, und er wandte sich dem Pavillon zu, in dem er Tomoe treffen sollte.
Der Pavillon war erleuchtet. Ein Springbrunnen plätscherte davor, eine verborgen angebrachte Lampe beleuchtete eine blühende Hibiskushecke. Kishi hatte keinen Blick für ihre Schönheit. Vor dem Pavillon zogen er und die Leibwächter die Schuhe aus.
Ein Leibwächter blieb draußen, der zweite begleitete Kishi in den Pavillon. Er sollte sich im Flur aufhalten und ständig wachsam sein, denn Kishi war von Natur aus mißtrauisch. Er wollte kein Risiko eingehen.
Kishi trat in das Zimmer vor der Schlafkammer. Da stand Tomoe. Sie hatte das weiße Make-up, das sie beim traditionellen Auftritt zu tragen hatte, abgeschminkt. Mit einem Lächeln und einer Verbeugung begrüßte sie Gogen Kishi.
»Ich erwarte dich voller Sehnsucht, Gebieter. Gedulde dich noch einen Moment.«
»Hai, ja, schöne Tomoe.«
Die Geisha verschwand in der Schlafkammer und schob die Papiertür hinter sich zu. Gogen Kishi wanderte im Zimmer umher, die Hände auf dem Rücken. Er war ein korpulenter Mann in den Vierzigern mit einem flachen, kantigen Gesicht und tückischen Schlitzaugen.
Für diese Gelegenheit hatte er einen dunkelblauen Seidenkimono angezogen. Die Sekunden dehnten sich für ihn endlos.
»Kishi-san«, erklang dann Tomoes lockende Stimme.
Gogen Kishi schob die Tür zurück und schritt in die Schlafkammer, in der eine indirekte Beleuchtung brannte. Die Decken auf dem blumengeschmückten Lager waren zurückgeschlagen. Rechts und links vom Lager stand je ein Paravent mit kunstvollen erotischen Zeichnungen.
Tomoe aber lächelte hinter einem Wandschirm hervor, über den nur ihr hübscher Kopf schaute. Ihr Kimono und die übrige Kleidung lagen kunstvoll zusammengefaltet auf einer Ebenholztruhe neben dem Schirm.
Kishis Kehle wurde trocken. Tomoe konnte keinen Faden mehr am Leib haben. Sie wollte ihn locken, er sollte sie hinter dem Wandschirm hervorholen. Der Syndikatsboß zögerte nicht.
Er trat näher und wollte links um den Schirm herum.
»Endlich kann ich dich in meinen Armen halten, schöne Tomoe«, stammelte Gogen Kishi. »Unsere Leidenschaft wird so heiß sein wie die Lava im Krater des Fudschijama. Sag mir ein Wort der Liebe, meine herrliche Geisha.«
»Du verdammter dickbauchiger Halunke!«
Die Stimme, die das sagte, war rauh und barsch. Gogen Kishi konnte jetzt hinter den Wandschirm schauen, und er mußte feststellen, daß sich Tomoe ihm keineswegs im paradiesischen Zustand präsentierte. Sie war im Gegenteil vollständig angezogen. Da lagen andere Kleider auf der Truhe.
Und hinter dem Wandschirm, neben der Geisha, kauerte ein Mann. Jetzt schnellte er hoch. Er überragte Gogen Kishi um ein ganzes Stück und hatte die Statur eines zweibeinigen Stieres. Der erschrockene Syndikatsboß schaute in ein zorniges Pfannkuchengesicht.
»Du miserabler Halunke, dir werde ich geben, junge Geishas vernaschen zu wollen!«
Die Handkante des Hünen sauste nieder. Für Gogen Kishi erlosch das Licht. Suko fing ihn auf und legte ihn auf den Boden nieder.
»Den hätten wir«,
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