0037 - Panik in Tokio
Hornbrille sollte ihn älter und seriöser wirken lassen. Ich hatte den Verdacht, daß ihr Gestell nur ganz normales Fensterglas enthielt, was dem gewünschten Effekt aber keinen Abbruch tat.
Der Japaner schüttelte uns eifrig die Hände und stellte sich als Mr. Yakushi vom Innenministerium vor. Die Paßformalitäten und den Zoll konnten wir uns dank seiner Fürsprache sparen. Lediglich aufs Gepäck hatten wir eine Weile zu warten.
Meinen Einsatzkoffer hatte ich als Handgepäck mitgenommen. Die moderne vollautomatische Fluggepäckabfertigung hat nämlich mitunter ihre Tücken. Und ich wollte nicht riskieren, daß mein Spezialkoffer auf Hawaii oder sonstwo landete, während ich in Japan den Dämonen nur mit der Zahnbürste bewaffnet gegenüberstand.
Meine Beretta und die Bolzenpistole hatte der Flugkapitän an Bord der Maschine in Verwahrung genommen und mir nach der Landung wieder ausgehändigt. Suko hatte die Angewohnheit, seine Reiseutensilien in einem Seesack herumzuschleppen.
Sowie wir meinen Koffer und Sukos Seesack vom Gepäckband geklaubt hatten, schleuste Yakushi uns durch die B-Ebene des Terminals zu einem Taxistand. Eine Minute später fuhren wir auf der achtspurigen Autobahn in Richtung Tokio.
Mit elfeinhalb Millionen Einwohnern – ohne Vororte – war Tokio die größte Stadt der Welt und ein wahrer Ameisenhaufen. Straßennamen gab es zwar, aber keine fortlaufende Hausnumerierung wie bei uns. Die Gebäude waren vielmehr nach dem Erbauungsdatum numeriert, was bei langen Straßen zu vielen Verwirrungen führte.
In Tokio herrschte, wie überall in Japan, Linksverkehr. Jemand hatte mir mal erzählt, die Japaner seien alle verhinderte Rennfahrer. Er hatte recht. Der Widerschein zahlloser Lichter erhellte die Nacht, und bunte Neonreklamen in japanischer Zeichenschrift flimmerten.
Mr. Yakushi vom Innenministerium bombardierte uns mit Informationen. Mich bezeichnete er als Sinclari-san, denn den englischen Namen Sinclair auszusprechen fiel ihm schwer. Die angehängte Silbe San bedeutete Herr.
Suko schien er nicht ganz grün zu sein. Die Japaner und die Chinesen mochten sich nicht besonders. Suko zeigte stoischen Gleichmut, ihn störte es nicht, ob Yakushi ihn nun schätzte oder nicht.
Das meiste, was der Ministerialbeamte sagte, ging bei mir zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Ich war nicht zu einer Sightseeing-Tour nach Japan gekommen und würde kaum Gelegenheit haben, Tokios Sehenswürdigkeiten zu besichtigen.
Als ich Yakushi auf den Grund meiner Reise ansprach, wurde er sehr zurückhaltend.
»Kein Kommentar«, lautete seine kurze Antwort. »Sie erfahren alles im Hotel, Sinclari-san. Sie und Ihr Freund sind übrigens in einem der besten Ryokans von Tokio untergebracht, in der Nähe des kaiserlichen Palastes. Ich hoffe, das entspricht Ihren Wünschen.«
»Wir werden sehen. Was ist ein Ryokan?«
»Ein Hotel im traditionell japanischen Stil mit Papierwänden und Matten. Der Service ist hervorragend.«
Das konnte ja heiter werden. Ich bemerkte Sukos Grinsen.
Es war nach 23 Uhr, als das Taxi vor dem Hauptgebäude des Ryokans anhielt. Yakushi bezahlte einen Fahrpreis von einigen tausend Yen, was aber nicht besonders viel war.
Ryokanbedienstete in geschmackvollen Kimonos nahmen unser Gepäck in Empfang. Der Manager, ein älterer Japaner im bestickten blauen Seidenkimono, begrüßte uns sehr freundlich und mit vielen Verbeugungen. Auch Suko verneigte sich, und ich verbog mir gleichfalls die Figur.
Avisiert waren wir schon. Mr. Yakushi und der Manager brachten uns zu dem Pavillon im weitläufigen Park, in dem wir wohnen sollten. Der Park war ein Meisterwerk japanischer Gärtnerkunst. Von der in der Nähe vorbeilaufenden Hochstraße dröhnte Verkehrslärm herüber. Hochhäuser mit vielen erleuchteten Fenstern ragten in den Nachthimmel.
Vor der Schwelle des Pavillons verbeugte sich der Manager nochmals tief.
»Bitte, treten Sie ein, Sinclari-san, Suko-san.«
Er sprach englisch. Suko bückte sich und zog seine Schuhe aus.
»Was soll denn das?« fragte ich einigermaßen perplex.
»Man betritt einen japanischen Wohnraum nie mit Schuhen«, antwortete Suko. »Das gilt auch für ein Gästehaus.«
Also entledigte auch ich mich meiner Treter. Was ich jetzt gebraucht hätte, das wäre ein doppelter Scotch gewesen. Doch da war wohl nichts in Sicht. Unser Gepäck hatten die Hotelpagen schon gebracht. Der Manager zeigte uns die Zimmer, deren Einrichtung für mich fremdartig war.
Matten am Boden,
Weitere Kostenlose Bücher