0038 - Die letzte Runde ging an uns
irgendwo in eine Wand eingebohrt worden oder gar in die Decke, hätte es zu einem Chaos kommen können. Freiliegendes Dynamit verliert ja einen erheblichen Prozentsatz seiner Sprengkraft.«
»Woraus schließt man, dass es frei lag?«
»Die Detonation erfolgte in der Mitte der Aula. Genau zwölf Meter vom Podium entfernt im Mittelgang. Ich hörte das zufällig von einem Kollegen, der anwesend war.«
»Wie kann der Sprengkörper dorthin gekommen sein?«
»Auf die einfachste Art der Welt! Jemand hat ihn in die Aula getragen, wie ich schon sagte, wahrscheinlich in einer Aktentasche oder einem Päckchen. Wenn eine Zeitzünderanlage dabei war, hatte der Täter genug Zeit, sich wieder in Sicherheit zu bringen.«
»Konnte man denn überhaupt eine Aktentasche unauffällig in die Aula bringen?«
»Aber spielend! Heute Nachmittag war die Entlassungsfeier der letzten Semester sämtlicher Fakultäten, die an der Universität vertreten sind! Zweihundertvierundachtzig Studenten und Studentinnen sollten entlassen werden! Die Anzahl der Gäste - Eltern, Verwandte, Freunde, Ehrengäste der Stadtverwaltung, Reporter und so weiter - belief sich auf über achthundert! Glauben Sie, da fällt es auf, wenn ein einzelner Mann in diesem Gedränge eine Aktentasche an einer Stuhlreihe im Mittelgang abstellt?«
»Wahrscheinlich nicht. Sie haben recht. Waren zu dieser Veranstaltung Eintrittskarten oder Ähnliches ausgegeben?«
»Nein. Warum sollte man? Wer kommen wollte, konnte kommen, wer zu Hause bleiben wollte, blieb eben zu Hause.«
Ich schob Phil mein Notizbuch und das Einlieferungsbuch zu und sagte: »Mach du den Rest, Phil. Mir tut schon die Hand weh.«
Er nahm sofort den Stift in die Hand, und ich zeigte ihm, wo er weiterzumachen hatte. Dann setzte ich das Gespräch mit dem Arzt fort.
»Hat man schon irgendeinen Anhaltspunkt, aus welchem Motiv dieser Anschlag ausgeführt worden sein soll?«
»Nichts als Vermutungen.«
»Und zwar?«
»Man rechnet in erster Linie mit dem Racheakt eines ehemaligen Studenten, der hier früher mal bei einer Prüfung durchgefallen ist. Sie wissen ja, wie die jungen Leute sind. Wenn etwas nicht nach ihrem Kopf geht oder wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, stoßen sie glühende Racheschwüre aus. Das braucht man nicht ernst zu nehmen, denn in neunhundertneunundneunzig Fällen von tausend hat so ein Rachegelübde nichts zu bedeuten.«
»Aber einer könnte eben doch mal Ernst machen, wie?«
»Man muss jedenfalls mit dieser Möglichkeit rechnen.«
»Und was für Vermutungen gibt es sonst noch?«
»Natürlich die, die wir immer haben, wenn uns ein Verbrechen ganz unfassbar erscheint: dass ein Unzurechnungsfähiger aus Gott weiß für Gründen den Sprengkörper zur Explosion brachte.«
»Ein Verbrechen mit einer ganz bestimmten Absicht vermutet man nicht in dieser Angelegenheit?«
»Wie meinen Sie das?«
»Na, beispielsweise wollte vor einigen Monaten jemand seine Mutter umbringen, um endlich ihr Vermögen zu erben. Er schmuggelte eine Bombe in das Flugzeug, mit dem seine Mutter nach ihrem Besuch bei ihm wieder nach Hause flog. Das Ergebnis haben ja alle Zeitungen gebracht. 42 Tote einschließlich der Besatzung.«
Der Arzt sah mich fassungslos an.
»Wollen Sie damit sagen, dass jemand eine bestimmte Person hätte töten wollen, indem er diesen Anschlag ausführte, der gleichzeitig vielen das Leben hätte kosten können?«
Ich zuckte die Achseln.
»Warum sollte es nicht möglich sein? Bei so einem Fall lassen sich viel schwerer Spuren finden, als wenn diese einzelne Person auch tatsächlich einzeln irgendwo ermordet würde. Überlegen Sie doch, wie die Polizei ermitteln soll, wem die ganze Sache galt, wenn beispielsweise wie bei dem Flugzeugattentat über vierzig Tote da sind! Der Täter multipliziert dadurch die Schwierigkeiten bei der Lösung des Falles mal vierzig!«
Noch bevor der Arzt etwas erwidern konnte, brummte Phil erleichtert: »Fertig!«
»Schön«, sagte ich. »Dann können wir ja wieder gehen. Vielen Dank, Doc, und entschuldigen Sie die Störung Ihrer Nachtruhe!«
»Nichts zu danken. Sie tun ja nur Ihre Pflicht.«
Er brachte uns bis zur Tür, und wir stiegen draußen wieder in den Jaguar.
»Was meinst du?«, fragte Phil. »Soll die Bombengeschichte tatsächlich etwas mit unserem Fall zu tun haben?«
Ich hob die Schultern.
»Keine Ahnung, mein Alter. Jedenfalls sind weder Eve McMire noch Jack Proom unter den Verletzten, nicht wahr? Und trotzdem sind sie aber auch
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