0039 - Das Todesmoor
ihrer Seele her.
»Verdammt!« entfuhr es Ted Turman.
Er rannte, so schnell er konnte. Ellen war für einen Augenblick nicht zu sehen. Turman blieb keuchend stehen. Da entdeckte er seine Frau wieder. Sie lief einen schmalen Karrenweg entlang, der geradewegs in den Urwald hineinführte.
Wie eine Geisterfee glitt die Frau durch die Dunkelheit.
Turman folgte ihr. Er war ein kräftiger Mann mit muskulösen Beinen. Er spielte hier in Kandy mit Freunden einmal wöchentlich Fußball. Und zweimal in der Woche wurde ziemlich hart trainiert. Turman befand sich in Topform.
Er war sicher, Ellen einholen zu können.
Sie verschwand im schwarzen Rachen des Dschungels. Tiere kreischten und nahmen vor ihr erschrocken Reißaus. Sie lief, lief, lief wie eine Maschine, die keiner mehr abstellen konnte.
Als Ted Turman den Urwald erreichte, legte er seine Hände wie einen Trichter um den Mund und rief: »Ellen! Ellen, ich bitte dich, bleib stehen! Ellen, wohin läufst du denn?«
Er sah ihren hellen Morgenrock zwischen den Regenbäumenaufleuchten. Er hörte Äste brechen. Noch nie hatte er seine Frau so schnell laufen gesehen. Seine Sorge um Ellen wuchs.
Sie hatte den Dschungel bisher immer gemieden, weil er ihr unheimlich gewesen war. Nachts wäre sie schon gar nicht zu bewegen gewesen, den verfilzten Urwald zu betreten.
Hatte sie durch ihre Verrücktheit die Angst vor dem Dschungel verloren?
Es war nicht ungefährlich im dichten Unterholz, denn es gab hier zahlreiche Giftschlangen – Kobras, Vipern, Klapperschlangen – und die angriffslustigen Pythons.
Nur mühsam holte Ted Turman auf. Er rief immer wieder, seine Frau möge endlich stehenbleiben, doch sie schien taub geworden zu sein.
Plötzlich war sie weg. Verschwunden. Er konnte sie nicht mehr sehen.
Keuchend blieb er stehen. »Ellen!« rief er mit schriller Stimme. »Ellen, wo bist du?«
Er ging weiter. Es gab keinen Weg mehr. Der Boden unter seinen Slippern wurde weich, morastig. Er drückte herabhängende Schlinggewächse zur Seite. In seiner Nähe raschelte etwas geisterhaft. Ted Turman zuckte heftig zusammen. Ein Nachtvogel flatterte hoch und torkelte durch das Gewirr von Pflanzen.
»Ellen!« rief Turman wieder. Er stellte fest, daß seine Hoffnung, Ellen wiederzufinden, rapide zusammenschrumpfte. »Ellen!« schrie er verzweifelt.
Da platzte plötzlich in der undurchdringlichen Finsternis ein greller Entsetzensschrei auf.
Das war Ellen!
Turman stampfte durch die Farne. Dicke, glitschige Wurzeln brachten ihn zu Fall. Er schlug sich den Kopf an hartem Holz, kämpfte sich benommen wieder hoch, spuckte die nasse Erde aus, die zwischen seinen Zähnen knirschte.
Die Angst um seine Frau geißelte ihn. Er wühlte sich durch das Unterholz, das allmählich zurücktrat. Und wenige Augenblicke später sah er sie.
Sein Herz übersprang einen Schlag.
Ellen war in einen Sumpf geraten.
Die Macht des Bösen hatte sie in dieses Todesmoor gelockt, um sie zu vernichten, weil sie sich nicht damit abfinden wollte, daß sie ihren Jungen nie mehr wiedersehen würde.
***
Ellen sank immer mehr in die schwarze Brühe ein. Sie versuchte, die Beine aus dem Morast herauszuziehen, doch jede ihrer Bewegungen beschleunigte das Sinken nur noch mehr.
Wieder schrie die verzweifelte Frau. Sie bäumte sich entsetzt auf. Sie griff nach dünnen Pflanzen, die über dem Moor hingen. Die Pflanzen rissen ab. Ellen starrte auf die Blätter in ihrer Hand und schluchzte.
»Ellen!« rief Ted Turman mit heiserer Stimme. »Nicht bewegen! Du darfst dich nicht bewegen, hörst du? Ich hol’ dich raus! Hab’ keine Angst, ich schaff das schon!«
Zum erstenmal hörte die Frau jetzt die Stimme ihres Mannes wieder. Der Bann, mit dem sie das Böse belegt hatte, fiel von ihr ab.
»Ted!« rief sie. »Ted, wo ist Alex?«
Turman schauderte. »Wieso glaubst du, daß ich weiß, wo Alex ist?«
»Ich habe seine Stimme gehört.«
»Du mußt dir das eingebildet haben, Ellen.«
»Ich habe Alex gehört, Ted. Hier – ganz in der Nähe.«
Turman ließ seine Frau in diesem Glauben. Es war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, mit ihr darüber zu streiten. Der klebrige Sumpf kroch bereits zu ihren Hüften hoch.
»Nicht bewegen!« rief Ted Turman aufgeregt.
Er suchte einen jungen, widerstandsfähigen Baum, mit dessen Hilfe er seine Frau aus dem gefährlichen Todesmoor ziehen konnte. Als er einen gefunden hatte, versuchte er, ihn aus dem Boden zu reißen.
Doch das armdicke Gewächs war so sehr im weichen Erdreich
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